Hertha II: Sarah BSC
kabinenpredigt
Vor ein paar Tagen sah ich zum ersten Mal eines der neuen Werbeplakate von Hertha in der Stadt hängen. "Schalke? In Charlottenburg sind wir reiche Russen gewohnt!", sagt Sofian Chahed darauf. Wobei das nicht ganz stimmt, denn die wirklich reichen Russen haben es seit gut zehn Jahren nicht mehr nötig, in Berlin einzukaufen. Das geht in Moskau längst einfacher und vor allem viel eleganter als auf dem Kudamm, wo sich inzwischen eine Billigkette an die andere reiht. Aber dass Hertha nie so ganz auf der Höhe der Zeit ist, weiß man ja.
Ob ich selbst auf dem Laufenden bin, fand ich erst raus, als ich wieder zu Hause war und auf der Hertha-Homepage nachsah, ob Chahed überhaupt noch zum Kader gehört. Man kommt ja kaum noch hinterher bei den flotten Spielerverkäufen der Berliner. Und so hat es mich kaum überrascht zu lesen, dass Malik Fatih vergangene Woche blitzschnell zu Moskau wechselte. Wieder mal entschied hier das Geld. Satte vier Millionen Euro hat er in die Kasse der Herthaner gebracht, und dass dies ganz genau dem Jahresgehalt entspricht, welches sich Marco Pantelic im Falle einer Vertragsverlängerung wünscht, ist sicher nur ein Zufall.
Manager Dieter Hoeneß versprach, alle Einnahmen noch in diesem Sommer in die Mannschaft zu investieren. Da konnte ich direkt sehen, wie es diesem Kaufsüchtigen in den Fingern juckte. Denn einkaufen gehen und dabei die Taschen so richtig voller Geld zu haben - das ist und bleibt ja seine größte Freude. Ich kann es verstehen: Shoppen ist ja wirklich etwas Schönes.
Viel erfreulicher fand ich allerdings die Erkenntnis, dass Trainer Lucien Favre doch ein Mensch zu sein scheint. Ich war mir da nämlich nicht wirklich mehr sicher gewesen; der war irgendwie zu cool und zu kultiviert mit seinem ewigen "Bonjour". Doch nachdem er sich wegen der falsch gezeigten roten Karte gegen Pantelic so aufregt hatte, dass er sogar die Trainerbank verlassen musste, da wusste ich: Favre ist einer von uns! Mit richtig echtem Blut, das durch seine Adern fließt und das sogar in Wallung geraten kann. Gott sei Dank.
Und dann spielte Hertha am Samstag auch das 900. Bundesligaspiel in der Vereinsgeschichte. Die 9 steht in der Nummerologie für Ausgeglichenheit, birgt jedoch die Gefahr, das Leben dahinplätschern zu lassen, ohne in den entscheidenden Momenten einzugreifen. Und das beschreibt erstaunlich genau den Spielverlauf gegen Hansa Rostock. Aber das ist letztlich nur blöder Esoterikquatsch und damit will ich gar nichts zu tun haben.
Übrigens: Chahed gehört noch zu Hertha BSC. Jedenfalls, als dieser Text geschrieben wurde.
SARAH SCHMIDT
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