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Hersteller schönen SpritverbrauchMit speziellem Auto zum Test

Automobilhersteller nutzen die Lücken im EU-Recht aus, um den Spritverbrauch zu schönen.

Wie viel verbraucht er wirklich? Der Spritverbrauch eines Autos ist oft höher als angegeben. Bild: dpa

BERLIN taz Dass die tatsächlichen Verbrauchswerte vieler Autos höher sind, als vom Hersteller angegeben, ist für den ADAC keine Neuigkeit. Der Club testet regelmäßig die Angaben der Hersteller auf ihre Praxistauglichkeit und stellt ebenso regelmäßig fest, dass der Verbrauch im Straßenverkehr höher liegt - um bis zu 25 Prozent.

Dass der reale Verbrauch so sehr von den Angaben der Hersteller abweicht, liegt an den Lücken in der EU-Richtlinie, die das Messverfahren vorgibt. Diese schreibt eine zwanzigminütige Testfahrt vor, während der Benzin- und CO2-Verbrauch gemessen wird. Für diese Messung dürfen die Automobilhersteller Angaben der Deutschen Umwelthilfe zufolge besondere Autos liefern, die besonders wenig Benzin verbrauchen. Möglich wird das beispielsweise durch einen extrem erhöhten Reifendruck und besondere Leichtlauföle.

Hinzu kommt, dass die Tests im Labor und unter praxisfernen Bedingungen durchgeführt werden. So werden keine Scheibenwischer benutzt, die Klimaanlage wird ausgeschaltet, und auch äußere Einflüsse wie Wind werden eliminiert. "Dadurch sinkt natürlich der Verbauch", sagt Hans-Ulrich Sander vom TÜV Nord, einer vom Kraftfahrt-Bundesamt zertifizierten Prüfstelle. Er hat damit kein Problem. Aus Gründen der Vergleichbarkeit müsse die Messung auf diese Weise erfolgen. Die Verbraucher werden seiner Meinung nach nicht beeinflusst. "Das die Ergebnisse normiert sind, steht ja überall groß dran."

Auch die Automobilindustrie argumentiert mit der Vergleichbarkeit der Werte. Gerade das mache die zwanzigminütige Testfahrt so wertvoll, sagt Andreas Kraus vom Verband der Automobilindustrie. Deshalb könne es zu Abweichungen des Verbrauchs nach oben kommen, aber auch, wie bei modernen Dieselmotoren, durchaus auch nach unten.

Sollte der Spritverbrauch doch, wie in den meisten Fällen, höher sein, können Autofahrer auf Schadenersatz hoffen. Im Dezember 2008 gab das Stuttgarter Oberlandesgericht der Klage eines Autohalters recht. Dessen Auto hatte deutlich mehr Benzin verbraucht, als vom Hersteller beim Verkauf angegeben worden war. Die Umwelthilfe will nun weitere Musterklagen unterstützen.

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7 Kommentare

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  • MS
    M. Stocker

    @Archimedes:

     

    also gut, das nächste mal heb ich vor den 'Ökolatschenträger' noch ein Schildchen dazu hoch: Achtung! Ironie!

     

    Zu Ihrem Einwand, dass die Wähler sich gegen staatliche Bevormundung wehren würden: sie tun das in erster Linie wegen der Einflüsterer der bürgerlichen Presse zusammen mit dem VDA.

    Dabei gibt es doch eine auffällige Doppelmoral unserer wackeren liberalen und neoliberalen Freiheitshelden.

    Wissen Sie, wie die europäischen Abgasgrenzwerte zustande kommen? Es geht so:

     

    Los Angeles hustet.

     

    Da es in den USA üblich und möglich ist, alles und jeden zu verklagen, sogar Behörden und Regierungen wegen Untätigkeit, wird eine Behörde tätig, die im Weltmaßstab gesehen sehr winzig ist. Es ist die Environmental Protection Agency des Staates Kalifornien. Sie legt, um sich vor der Unbill politischer und gerichtlicher Nachstellungen zu schützen, die für das Husten verantwortlich gemachten Abgasgrenzwerte für den Bundesstaat Kalifornien fest, und zieht jedesmal die Schrauben ein bisschen weiter an. Und schon geht der Domino-Effekt los. Kein US-Hersteller kann es sich erlauben, Autos zu bauen, die die kalifornische Staatsgrenze nicht passieren dürfen. Und kein Importeur, weder asiatische noch europäische werden bockig sagen: dann könnt ihr euch unsere Premium-Autos an den Hut stecken.

    Es ist faszinierend zu erleben, wie extrem geräuschlos die Fa. Daimler SEHR viel Geld in die Hand nimmt, um die Diesel-Abgase ihrer Exportfahrzeuge zu entsticken.

    Und es ist gleichzeitig höchst deprimierend zu erleben, was für ein Affentheater der VDA und in seinem Gefolge die Bundesregierung veranstaltet hat, als es um die Entschwefelung des Dieselkraftstoffes ging. Erst als der EuGH den großen Knüttel schon fast auf die Köpfe der Bundesregierung niedersausen ließ, bequemte man sich etliche Jahre zu spät zu dem Verwaltungs-Federstrich, der ein paar Jahre früher zu Papier gebracht der Umwelt einige 10000 Tonnen Schwefeldioxid erspart hätte.

     

    Was können wir daraus lernen?

    1. Die Automobilindustrie hat ein Problem mit demokratisch gewählten und legitimierten Regierungen.

    2. Die Automobilindustrie hat kein Problem damit, dass ihnen eine im Weltmaßstab gesehen winzig kleine Behörde, eine Behörde die dazu von uns aus (Europa) gesehen keinerlei demokratische Legitimation hat, Vorschriften macht.

    3. Die Sprache, die die Automobilindustrie versteht, ist also die Sprache des undiskutierbaren Diktats, der Vorschrift, auf die man wie auf eine Naturkatastrophe unausweichlich reagieren muss.

     

    Wir sollten uns das merken. Auch für die nächste Wahl. Nicht als Plädoyer für eine Diktatur (sonst muss ich gleich wieder mein Achtung! Ironie! -Schildchen heben), sondern als Plädoyer für einen gelassenen Umgang mit dem Geschrei und Lamento der Automobilindustrie, wenn eine Regierung es wagt, die vom Souverän leihweise erhaltene Macht zur Durchsetzung umweltpolitischer Fortschritte auch gegen die Autoindustrie einzusetzen.

     

    Noch eine Nachbemerkung zur Polo/Kangoo-Debatte: ich bin nicht der Meinung, dass ich ein ökologisch akzeptables Auto (wenn das nicht sowieso ein innerer Widerspruch ist) fahre. Es ist ein ganz normaler fauler Kompromiss. Wenn ich nichts zu transportieren hätte, gäbe es schon noch etwas weniger Umwelt-unfreundliche Alternativen.

  • M
    Martin

    Ich fahre einen 2 Jahre alten Benziner mit 7,2 Liter Normverbrauch. Tatsächlich verbrauche ich aber 6,8-6,9 Liter, überwiegend im Stadt- und Landverkehr. Dabei fahre ich meist 10-20 km/h über dem Limit, bin also kein Kriecher. Man sollte also auch die Fahrer kritisieren, nicht nur die Hersteller. Spartrainings oder die allgemein bekannten Tipps beherzigen wäre ein Kinderspiel. Wenn man sich den durchschnittlichen Fahrer vorstellen mag, verwundert es nicht, wenn diese 1-2 Liter darüber liegen.

  • A
    archimedes

    @ M. Stocker: Ach noch etwas: "Ökolatschenträger"

     

    Vorurteile haben Sie keine, oder? Ich hoffe, dass sie sonst die Welt nicht ganz so stereotyp und etwas differenzierter wahrnehmen, als in diesem Punkt.

  • WD
    Walter Drews

    Die taz als auch Herr Stocker haben beide recht, auch wenn der taz hier und da kleinere Fehler unterlaufen sein mögen und Herr Stocker etwas harsch im Ton ist.

    Der Autoindustrie kann man ganz sicher nicht nur die besten Absichten unterstellen. Da spielt aber nicht nur unkontrollierte Lobbymacht eine Rolle, sondern auch die Vielzahl der Abhängigkeiten dieser in Deutschland so wichtigen Industrie. Aber klar ist auch es fehlt der politische Wille diesen Mißständen etwas entgegenzusetzen, genauso wie der deutsche Autofahrer im Durchschnitt nicht wirklich gewillt oder in der Lage ist ökonomisch und ökologisch sein Fahrzeug zu benutzen. Da wird nervös gedrängelt und hektisch überholt nur um kleinste Zeitvorteile auszunutzen. Wenn man mal z. B. franz. Autobahnen über lange Strecken nutzen durfte erkennt man schnell, wie groß die Unterschiede sind. In Frankreich ist es für mich kein Problem die Norm-Verbrauchswerte aktueller Fahrzeuge zu unterschreiten. Eine gelassene aber dennoch zügige Fahrweise zahlt sich doppelt aus. Weniger Stress als auch Verbrauch. Dazu gehört es eben auch sich an Tempolimits zu halten und sich keine "Rennen" mit Dränglern zu liefern.

  • A
    archimedes

    @ M. Stocker: Danke für diese durchaus teilweise nützlichen Hinweise. Einige Einschätzung teile ich aber nicht ganz, z.B. zu sagen "der wirkliche Skandal die grenzenlose Feigheit der Regierung gegenüber der Automobilindustrie" vernachlässigt ein bisschen, dass es zugleich viele Wählerinnen und Wähler sind, die dann gleich so etwas wie "staatliche Bevormundung" schreien würden und mit der nächsten Wahl dann Parteien wählen (sofern sie es nicht schon tun), die dann der sogenannten "Wirtschaft" ihre sogenannten "Freiheiten" wieder zurückgeben.

     

    Übrigens finde ich den aktuellen VW Polo noch umweltfreundlicher als den von Ihnen erwähnten Renault Kangoo, aber vielleicht irre ich mich.

  • M
    Mark

    Die Regierung ist nicht feige. Sie ist die Industrie. "Lobbyist gesucht, unbefristete Stelle zu vergeben."

  • MS
    M. Stocker

    Und wieder mal eine Steilvorlage für die durchaus kritisierenswerte Automobilindustrie. Gibts denn so wenige technisch-physikalisch bewanderten Redakteure in der Taz?

     

    1. Ein Auto braucht kein Mikrogramm mehr Sprit, wenn die Heizung eingeschaltet wird, da die Abwärme des Motors normalerweise dicke reicht, um auch bei -10°C Außentemperatur eine Fahrt im T-Shirt zu ermöglichen. Denn die Heizung wird mit der unvermeidbaren ABWÄRME des Motors betrieben, die dann eben zu einem kleineren Teil über den Kühler abgegeben wird. Einzige Ausnahme: der 3-Liter-Lupo, dessen Abwärmemenge bei strengem Frost nicht ausreicht, um den Innenraum (auch für Hut- Jacken- und Mantel-Fahrer) angenehm warm zu halten.

     

    2. Die in der Tabelle angegebenen Verbrauchswerte sind zumindest bei einem Fahrzeugtyp unrealistisch hoch. Wer es schafft, durch einen Renault Kangoo 1.5dCi fast 7 Liter Diesel auf 100 km durchzujagen, ist ein Autobahn-Bleifußfahrer, der die Kiste über die zugelassenen 155 km/h hochjagt.

    Unter realistischen Bedingungen verbraucht dieses Fahrzeug (das ich selbst fahre) zwischen 5.1 und 6.5 l/100km. Realistisch ist z.B. eine typische Berufs- und Transportfahrt von Stuttgarts Innenstadt ins idyllische Städtchen Murrhardt. 5 km Stadtgetrödel, 12 km Schnellstraße (120 km/h), 31 km Rest Landstraße mit zig Käffern und noch mehr Ampeln: 5.1 l im Winter, 5.25 l/100km im Sommer (wg. Klimaanlage). Auf Autobahnen bei Windstille: 6.0 l, im Rhonetal gegen Shirocco oder Mistral anfahren: 6.5 l/100 km, natürlich bei der auf französischen Autobahnen erlaubten 130 km/h.

     

    Genau so funktioniert das mit der Skandalisierung nicht! Wer seinerseits mit Mondziffern arbeitet, braucht sich nicht zu wundern, wenn jeder VDA-Heini leichtes Spiel hat!

     

    Im übrigen spricht auch aus diesem Artikel ein erstaunlicher naiver Glaube an die Lauterkeit der Automobilindustrie und ihrer Marketing-Abteilungen. Das einzige was zu tun ist, wäre doch die Testbedingungen und Fahrzyklen festzulegen und bei der Bauart-Zulassung des Fahrzeugs den Spritverbrauch durch das Kraftfahrt-Bundesamt ermitteln zu lassen. Dann können die Hersteller schreiben was sie wollen, es wird niemand interessieren, da der behördlich ermittelte Verbrauch und CO2-Ausstoß steuerlich relevant ist.

    Aber es ist so typisch für die Taz, dass mit solchen Halbheiten ein Skandal aufgebauscht wird. Dabei ist der wirkliche Skandal die grenzenlose Feigheit der Regierung gegenüber der Automobilindustrie.

     

    Wenn die Taz wirklich eine Vorreiterrolle bei der Kritik an der Automobilindustrie einnehmen will, dann soll sie doch die autistischen Marketing- und Managmentabteilungen aufs Korn nehmen, die es fertigbringen, an einem immer größer werdenden Teil ihrer Kunden komplett vorbeizuentwickeln.

    Hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden Euro werden in die Entwicklung neuer Formen und Presswerke versenkt, anstatt sie in die Senkung des Spritverbrauchs und in die Abgasreinigungstechnik zu investieren. Für Komfort-Scheißdreck wie elektrische Parkbremsen, Car Media Centers oder das Kühlfach für den Lippenstift der Dame ist immer noch viel zu viel Geld da.

    Es ist der Tunnelblick von Management und Marketing auf den Wettbewerber und der diesem Personal eigene hirnrissige Autofetischismus, der verhindert, dass die Kundengruppe ernst genommen (bzw. überhaupt wahrgenommen) wird, die im Auto keinen Fetisch, sondern eine lästige Notwendigkeit, einen Gebrauchsgegenstand sieht.

    Es gibt keine Automesse, auf der man die einfältige Denkweise des Marketings nicht bewundern kann. Es ist immer das Gleiche: ein aufgedonnerter Bolide wird auf einen Drehteller gestellt, fünf aufgestöckelte Miezen drumrum drapiert, die die Besucher-/Schlipsträger vom Hummermäßigen konzeptionellen Schwachsinn und Anachronismus der Industrie ablenken.

     

    Wenns um einen wirklichen Skandal geht, dann knöpft euch doch die idiotische Auslegung der Getriebe vieler Fahrzeuge vor, vor allem der Kleinwagen, der Brot-und Butter-Autos. Der vom Hersteller angegebene Spritverbrauch wäre sogar realistisch und erreichbar, wenn man der Industrie diktieren würde, die Getriebe so auszulegen, dass bei 130 km/h (um mal das Ende des deutschen Sonderwegs der grenzenlosen Autobahn-Raserei vorwegzunehmen) der Motor im unteren Grenzbereich des Drehmoment-Maximums laufen würde, d.h. bei Dieselmotoren ca. 2000 U/min, beim Benzinmotor ca. 3000 U/min. Das wäre eine Maßnahme, die sogar ohne Modellwechsel in eine bestehende Baureihe eingebaut werden könnte. Und es würde die Hersteller keinen Cent mehr kosten, kein zusätzliches Gramm Stahl und Aluminium verbrauchen. Der angenehme Nebeneffekt: eine im Vergleich zum jetzigen Zustand himmlische Ruhe bei der Autobahnfahrt.

     

    Der Grund dafür, dass das nicht schon längst passiert ist, könnte der sein, dass man in Kürze mit der Aufpreisoption 'längere Getriebeauslegung' das schlechte Gewissen und den Geldbeutel der von der Automobilindustrie sonst herzlich verachteten Ökolatschenträger erleichtern will. Wetten werden noch angenommen.