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Herrenwahl

■ Miß Bremen ‘91: Die wirklich hohen Stufen zum Ruhm / Was die Jury bewegt

Der Dickste aus der Jury ließ galant seine Wurstfinger auf dem Rücken der Tischnachbarin tänzeln. Die Gunst der Stunde hatte ihn neben Misses Europa Monika Gilbert plaziert, da darf man nicht zurückstehen, wenn es das Schicksal so gnädig meint. Zu „Peter Gun“ setzte er am Sonntag abend in der Diskothek Altstadt rythmisch die wabbelige Körpermasse in Bewegung, der Vollbart verbarg das Doppelkinn beim Grinsen. Man schritt zur Tat.

Mit skeptischen Blicken verfolgte die Jury dann das Geschehen auf dem Laufsteg. Insgesamt acht Frauen bewarben sich um einen von drei Plätzen für die Endausscheidung der Miß Bremen im September. Hundert Punkte pro Durchgang durfte jedes Jurymitglied vergeben, die erste Präsentation in eigener Garderobe, beim zweiten Mal im Badeanzug.

Knapp einhundert Schaulustige, überwiegend männlich, und die Eltern der Bewerberinnen, großer Aufmarsch von Schwiegermüttern und Anhang, dazu die Platzhirsche, die ihre Frauen bereits im nächsten Werbespot einer Bremer Firma sehen: Große Filmkarriere als Modell, schließlich waren unserer Gewinnerinnen schon bei Gottschalk und Schautzer, na bitte.

Ein Abend der Herrengespräche. Die Startnummer D hat ja Titten, daß ich das Kotzen kriege, und weil sie Zahnarzthelferin ist, möchte ich mal bei der aufm Stuhl, und sie oben, und Nummer C turnt gerne, vor allem Bodenturnen, da wüßt ich schon ein paar tolle Übungen, und dem Filmproduzenten, der in der Jury sitzt, qualmt der Kugelschreiber, so fix verteilt er seine Punkte, aber die Gerechtigkeit ist groß an diesem Abend, denn beim zweiten Durchgang präsentieren sich die Frauen in umgekehrter Reihenfolge. Wer jetzt unkontrolliet seine Punkte verschießt, kann Wiedergutmachung leisten beim zweiten Durchgang.

Die fachlich versierten Männer sind gut angezogen, gesellschaftliche Ereignisse bedürfen ihrer textilen Würdigung. Zum Schluß dürfen die Fotografen noch ein Gruppenfoto machen, und dann ist es halb eins, die Jury zieht sich zurück, sie hatten einen harten Tag, und der Dicke kann sich dann im Hinterzimmer in Ruhe weiterkratzen. miß mad

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