: Herrenlose Christinnen
■ Der Evangelischen Frauenhilfe wird „intoleranter Feminismus“ vorgeworfen. Angeblich hat sie aus ihrer Satzung den Herrn Christus gestrichen, angeblich.
Ein erbitterter Streit tobt derzeit in der Bremer Kirchenzeitung. Beschimpft wird die Evangelische Frauenhilfe. Die macht sonst nur Unstrittiges: Mütterkuren, Seminare zum Nein-Sagen oder Friedensmahnwachen. Jetzt aber hat sie an ihrer Satzung gebastelt und angeblich den Jesus Christus darin getilgt. Ein Aufschrei geht durch die Pastorenszene. Öffentlichkeitswirksam trat jetzt auch noch Manfred Schulken aus dem Vorstand der Frauenhilfe zurück. Das sei doch Unsinn, daß die Frauenhilfe von der theologisch vorherrschenden Stellung Jesu männliches Herrschertum ableite. Wir fragten Cornelia Klöss, Geschäftsführerin des Landesverbandes der Evangelischen Frauenhilfe Bremen e.V., über den Hintergrund des Streits.
taz: Gleich zehn Pastoren, unter ihnen natürlich Herr Motschmann, werfen Ihnen in der Kirchenzeitung „intoleranten Feminismus“ vor. Sie würden Jesus Christus ablehnen, eigentlich könnten Sie doch gleich die Kirche verlassen. Was um Himmels willen haben Sie angestellt?
Cornelia Klöss: Wir haben den Christus nicht gestrichen. Wir haben nur versucht, die 20 Jahre alte Satzung komplett zu überarbeiten, zum Beispiel frauengerechtere Formulierungen zu finden, aber auch den abstrakten Christus-Begriff zu übersetzen. Bisher wurde der theologische Bezug unserer Arbeit so beschrieben: „Diese Aufgaben gründen sich im biblischen Zeugnis von der Liebe Gottes in Jesus Christus“. Ich frage Sie: Was versteht frau unter dem Passus „von der Liebe Gottes in Jesus Christus“?
Nichts.
Eben, das kam uns abstrakt, schwer verständlich und dogmatisch vor. Abgesprochen mit unseren Mitgliedern wollten wir das übersetzen. Wir haben folgende Übersetzung gefunden: Unsere Arbeit gründet sich auf die „Aussagen der Bibel über die befreiende Liebe Gottes, wie sie durch Jesus Wirklichkeit wird“.
Statt „Jesus Christus“ heißt es jetzt also nur noch „Jesus“. Macht das einen Unterschied?
Ja. Es gibt in den theologischen Debatten um diesen Christustitel, also in der Christologie, auch sehr autoritäre Aspekte. So heißt es bei Paulus, Christus sei das Haupt des Mannes und die Frau sei dem Manne untertan. Wir aber wollten an die Heilungsgeschichten des konkreten Jesus erinnern, der herrschaftsfrei umgegangen ist mit den Menschen seiner Zeit. Uns kommt es auf das Herrschaftsfreie und diese befreiende Liebe Gottes an.
Fühlen Sie sich mißverstanden von all diesen Herren, die sich da öffentlich geäußert haben?
Nun, es ist tendenziös berichtet worden, die Schlagzeilen hießen immer: „Streichung von Jesus Christus“. Dabei wollten wir nur eine lebendige Übersetzung des Christus-Begriffs, also was mit Christus in einem befreienden Sinne gemeint ist. Und ich finde, das ist uns wunderbar gelungen. Aber weil wir ein eingetragener Verein sind, mußten wir das Ganze mit unserer Kirchenleitung absprechen, die heißt in Bremen Kirchenausschuß. Und der Kirchenausschuß fand unsere Neuformulierung mehrheitlich nicht gut. Wir mußten einen Kompromiß machen. Darin beziehen wir uns jetzt mit unserer Arbeit auf die „befreiende Liebe Gottes, wie die Bibel sie bezeugt“.
Wie, jetzt fehlt auch noch der Jesus?
Ja, jetzt ist er ganz raus. Da sind wir auch ziemlich traurig drüber.
Was mich wundert: Es geht bei dieser Satzungsänderung doch nur um eine vergleichsweise kleine Sache – so wichtig ist eine Satzung für Ihre konkrete Arbeit ja nicht. Greift man Sie nicht wegen was ganz anderem an?
Ich habe die Vermutung, daß da eine Machtfrage dahinter steht: Wer hat die Definitionsgewalt über theologische Aussagen? Eine Gruppe von Frauen macht ja hier seit zehn Jahren feministische Theologie. Wir wollen es uns nicht nehmen lassen, eigene Glaubensinhalte zu formulieren. Und das war ein solcher Versuch.
Also Hauspflege und Mütterkuren dürfen Sie soviel machen, wie sie wollen, nur definieren dürfen Sie nicht.
So könnte man das deuten. Wir fragen uns natürlich auch, ob es nicht längst überfällig war, dieses heiße Thema Christologie öffentlich zu diskutieren. In diesem Sinne freuen wir uns über den Streit.
Sind Sie jetzt so richtig verschrien in der Kirchenszene?
Wir bekommen zum Glück auch sehr viel ermutigende Post, und es gab Neueintritte in unseren Verband. Außerdem haben wir gemerkt, daß es offenbar einige Pfarrerinnen und Pfarrer gibt, die es nicht wagen, mit ihren Glaubenszweifeln rauszurücken, sie nicht mal unter ihren Kollegen offen diskutieren. Die begrüßen diese Debatte sehr. Das Tabu darüber ist offenbar sehr groß.
Fragen: cis
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