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■ Herr Meyer schrieb ein BuchEU für Einsteiger und Cognactrinker

Er „drängt“! Er „drängt kraftvoll“! Der „vollzogene Einigungsprozeß“, dessen „Eigenmotorik“ eine „Vertiefung und Verbreitung“ erzwingt. ??? Worum dreht es sich, Herr Klink? Dr. Dieter Klink, Bürgerschaftspräsident a.D., behandelt in seiner Eigenschaft als gefürchteter Vorwortschreiber natürlich Europa, die „Herzen und Köpfe der Menschen“ und den „übrigens seit Jahren engagierten Europäer“ Günter Meyer. Kurz: Herr Meyer hat ein Buch geschrieben.

Wäre dieser Text als Sonderdruck der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen, sein Schicksal wäre besiegelt gewesen: Altpapier. Allenfalls sadistische Schulmeister hätten ihre zehnte Klasse damit gequält. Aber besonders glückliche Umstände führten dazu, daß „Vom Europäischen Währungsystem zur Wirtschafts- und Währungsunion 1979-1999“ und somit der Blumentaler Sparkassenfilialdirektor a.D. Günter Meyer eine einzigartige Chance bekamen: Die Sparkasse in Bremen finanzierte ein Hardcover in Karmesinrot (Fadenbindung!) – und Klink bevorwortete.

Herr Meyer, „übrigens Europäer“ (Klink), besitzt eine durchsetzungsfähige Unterlippe, eine vertrauenswürdige Kinnpartie und ist im Alter (Jg.'29) immer noch Vorstandsmitglied des Landesverbandes Bremen der Europa-Union. So etwas färbt ab. Texte wie Meyers „Vom Europäischen Währungsystem zur Wirtschafts- und Währungsunion 1979-1999“ wirken nur von außen besehen hermetisch, verquast und dummkotzig, brunzbräsig, verschwurbelt und verquargelt. Zugang zur ganz eigenen Meyerschen Lyrik findet der Leser „mit tiefsitzender Inflationserfahrung“ (Klink) indes leicht mithilfe von einzwei Cognac oder dreivier Bessen-Genever (fünfsechs Stella Artois).

Evoziert es nicht die göttliche Stierreiterin, wenn Meyer von der „sich noch in diesem Jahrzehnt auf das Europa 2.000 zubewegenden“ EG singt? Sinkt die Welt „im Wandel“? Oder treibt sie gar führerlos? Nein! Die EG „ist zum Stabilitätsanker geworden“ für die „fortschreitende Vergemeinschaftung immer weiterer Materien“. Trotz „kumulierter Inflationsdifferenzen“! Und wegen (man ahnt es) „intramarginaler Intervention“.

Neben der umfangreichen Wiedergabe mehrerer EG-, EU- und EWS-Verträge bietet das Buch noch zwei glanzvolle Höhepunkte: 1) die ganzseitigen Fotos von acht europäischen Nationalbanken und 2) einen veritablen Währungskrimi, beinhaltend den „schwarzen EWS-Mittwoch“ und den Schwächeanfall der Finnmark (mehr wird hier nicht verraten). Nicht zuletzt ist Meyers (übrigens schon zweites) Buch (das erste: „Die Sparkasse und die Ortschaft Blumental“) eine Bremensie. Während seiner Bremer (!) Tagung am 6./7. Juli 1978 hat der Europäische Rat das „EWS abgesegnet“.

„Die Integrationsdynamik“, folgert Günter Meyer in seinem „Ausblick“, erlaube „kein Zögern und Zaudern mehr“. Oder, mit den Worten von Dieter Klink: „Unsere Bürger sind nicht alle Wirtschaftsexperten, Eurotechnokraten.“ Sondern Dichter und Denker. Für nämliche sind Meyers Emanationen gedacht. BuS

Günter Meyer, Vom Europäischen Währungssystem zur Wirtschafts- und Währungsunion 1979-1999. Bremen: Hauschild, 96 Seiten, 8 Abb., 29,80 Mark.

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