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Archiv-Artikel

Herr Justizminister a. D. macht Ärger

Zwei Granden aus der Ära Kohl im Zeugenstand: Klaus Kinkel (FDP) und Theo Waigel (CSU) sagen im Korruptionsprozess gegen Pfahls aus. Ausgerechnet der Ex-Justizminister veranlasst den Richter mit seinem Auftreten zu einem heftigen Wutanfall

AUS AUGSBURG MAX HÄGLER

Dieser Tag war eine Lehrstunde der Gewaltenteilung. Am zehnten Tag des Augsburger Pfahls-Prozesses war als Zeuge unter anderem das ehemalige Regierungsmitglied Klaus Kinkel geladen – der einstige Bundesminister wurde vom Vorsitzenden Richter abgewatscht wie ein ungehorsamer Schuljunge aus vermeintlich besserem Hause. Verteidigung wie auch Staatsanwaltschaft werteten seine wortkargen Aussagen jeweils als Sieg.

Der FDP-Politiker, inzwischen 68 Jahre alt, in der Kohl-Ära BND-Chef, Bundesjustizminister und -außenminister, wollte eigentlich gar nicht erscheinen vor der Kammer – war er doch in den entscheidenden Momenten der Sitzung des Bundessicherheitsrats (BSR) im Februar 1991 nicht anwesend gewesen. Staatsanwaltschaft wie Verteidigung gaben sich mit einer schriftlichen Erklärung Kinkels allerdings nicht zufrieden.

Der Grande musste also höchstselbst vor dem Kadi erscheinen – und ließ sich bitten: Um den Medienvertretern aus dem Weg zu gehen, betrat er erst nach den Richtern den Sitzungssaal. Ein Betragen, das Richter Maximilian Hofmeister – sonst ein humorvoller Mann – die Zornesröte ins Gesicht trieb: „Was hat Sie zu dem ungebührlichen Benehmen veranlasst?“, blaffte er den Zeugen an. Und dann klingelte auch noch ein Mobiltelefon in Kinkels Hosentasche. „Passt!“, kommentierte Hofmeister süffisant und rüffelte den heftig widersprechenden Justizminister a. D.: „Wir sind hier bei Gericht, da gelten andere Regeln als in den Gremien, in denen Sie sonst verkehren!“ Im Übrigen gehe es in dem Verfahren sowieso nicht um Politik, „sondern um Schuld oder Unschuld dieses Mannes“.

Genau genommen geht es bei dem Angeklagten Holger Pfahls – Rüstungsstaatssekretär a. D. – allerdings nur noch um das Maß der Schuld. Er hat bereits gestanden, dass ihm vom Lobbyisten Karlheinz Schreiber für „allgemeine Lobbyarbeit“ in den Jahren 1990 und 1991 3,8 Millionen DM auf ein Zürcher Bankkonto überwiesen wurden, mindestens 873.000 DM davon erhielt er in bar. Steuern hat der Ex-Verteidigungsstaatssekretär damit auf jeden Fall hinterzogen: Bleibt die Frage, ob Pfahls bei Waffenlieferungen gegen Bestechungszahlungen bewusst falsche Entscheidungen traf oder ob er nur der Vorteilsnahme schuldig ist. Die Staatsanwaltschaft glaubt an Bestechung und macht dies vor allem daran fest, dass durch die letztendlich erfolgte Lieferung von Spürfahrzeugen nach Saudi-Arabien und U-Booten nach Israel die deutsche Sicherheitslage gefährdet wurde.

Der Zeuge Kinkel glaubt das nicht: „Es gab eine klare Weisung des Bundeskanzlers.“ Mit großer Geste wies er auf den Angeklagten: „Pfahls hatte keinen Ermessensspielraum. Ob er sich besonders bemüht hat bei der Umsetzung, ist allerdings eine andere Frage.“ Die Industrie habe auch wenig Veranlassung gehabt, mit „Spielgeld“ (Hofmeister) zu arbeiten: „Das war im vorliegenden Falle sicher unsinnig, allerdings muss man den Vorlauf beachten.“ Eine Aussage, die Staatsanwaltschaft und auch die Verteidigung freute.

Auch der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) war als Zeuge geladen. Immerhin war er anwesend bei der Sitzung des BSR, gab aber ebenfalls zu Protokoll, „dass es weder auf mich noch auf mein Ministerium Einflussversuche gab“.

Ergiebiger war die Aussage von Dieter Holzer, dem guten Freund von Holger Pfahls und der Familie Strauß, gegen den auch im Zusammenhang mit der Leuna-Affäre ermittelt wurde. Ob er Pfahls bei der Flucht geholfen habe, wollte Holzer zwar nicht erzählen, aber er versicherte, dass „der verlängerte Arm von Franz Josef Strauß“ stets „sehr korrekt“ war. „Last not least“ habe ihm auch US-Außenminister James Baker im persönlichen Gespräch bestätigt, dass die „Fuchs“-Lieferung direkt zwischen ihm, Baker, und Kanzler Kohl vereinbart worden sei.

Der Angeklagte selbst war gestern recht still. Richter Hofmeister sprach Pfahls zwar an auf die aktuellen Wortmeldungen aus Kanada vom Strippenzieher Schreiber, doch der wollte das nicht weiter kommentieren und zog sich ganz zurück auf die Funktion als ausführender und weisungsgebundener Beamter: „Das Einzige, was ich auf meinem Posten erreichen konnte, war die mäßige Unzufriedenheit aller.“