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Herbert Simmons: „Tanz auf rohen Eiern“ (1962)

An jenem dunklen Tag als die black community den Tod der legendären Bluessängerin Florence Mill beweint und ein Tornado über St. Louis hinwegfegt, purzelt Romanheld Raymond Douglas aus dem Mutterbauch. Ganz klar, kein unvorbelasteter Neubeginn, sondern ein lebenslanges Ankämpfen gegen die lange Geschichte der Unterdrückung. Der junge Raymond ist ein begnadeter Trompetenspieler. Doch weil die Mutter einst an Bahngleisen von einer weißen Horde vergewaltigt wurde und weil Züge so ähnlich klingen wie Trompeten, setzt es Schläge mit dem Bügeleisenkabel, wenn er trompetet – die Geburt des Schmerzes aus dem Schmerz der Mütter. Trotzdem gelingt es Raymond das gefährliche Labyrinth aus Jugendbandenkämpfen, Autodiebstählen, wirren Liebesabenteuern, Träumen von einer Footballkarriere, Haschorgien, Abgleiten in Lethargie, Tod einer Geliebten und dem Terror weißer Polizisten ungebrochen zu durchpflügen. Mit Beihilfe des Zufalls wird aus ihm doch noch ein erfolgreicher Jazzmusiker. Doch das ist nicht das Happy End, sondern nur Zwischenstation. Zu ihm gesellt sich ein Sänger, den es härter getroffen hat. Der hat den sprechenden Namen Teacher und rappt Gewalt pur: Hass auf die Weißen und die angepasste schwarze Mittelschicht, exakt wie es Amiri Baraka in den 60ern forderte. Verwirrt holt sich Raymond Rat beim Opa, Achtung, Rückbesinnung auf Tradition. Er trennt sich von Teacher, sucht das Politische im Jazz fürderhin in der gebrochen-expressiven Melodielinie eines Miles oder Coltrane statt im verbalen Pamphletismus und findet das Glück in der einen, großen Liebe, ganz privatistisch.

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