: Her mit den taz-Spindludern!
In der tageszeitung sollen Pin-up-Bilder verboten werden. Die Wahrheit kämpft für sie!
Die Frauenverherrlicher in der taz wollen nicht hinnehmen, dass sie ihre Spindfotos abhängen sollen. Deshalb schreiben Redakteure über ihre Liebsten.
Laetitia Casta
Na gut, sie ist keine Schauspielerin, jedenfalls keine gute, und über ihre intellektuellen Qualitäten gibt es auch wenig zu lesen, aber Laetitia Casta hat einfach die bezauberndste Zahnlücke von allen. Und wenn mich nicht alles täuscht, schielt sie auch ein wenig. Herzallerliebst. Herzallerliebst auch die Tatsache, dass es sich bei meinem Casta-Spindluder wohl um das einzige von der streng feministisch dominierten taz-Fotoredaktion genehmigte Spindluder überhaupt handelt. Mit rotem Filzstift hat eine Kollegin „S. 1, NR. 1, 1 sp“ auf der Fotografie notiert und diese drei blattmacherischen Superlative auch noch rot eingekringelt: auf der Seite eins ist Laetitia erschienen, bedeutet das, an Platz Nummer eins, und zwar einspaltig. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Stefan Kuzmany (28), Redakteur im Schwerpunkt-Ressort
Julia Butterfly Hill
Wenn ich meinen Spind öffne, lächelt sie. Ein Lächeln in Grün, in wundersamer Natürlichkeit und heroischer Kampfesmütigkeit. Sie ist meine Tagesaufmunterung und Redaktionskampfmotiviererin: Julia Butterfly Hill, die Baumwunderfrau, die zwei Jahre in Luna verbrachte, dem kalifornischen Redwoodbaum, den sie gegen die Schergen der tumben Holzindustrie tapfer verteidigte. Sie ließ den Baum nie im Stich. So wie sie mich nicht im Stich lässt. Nur manchmal frage ich mich: Wenn man sie küsst, schmeckt sie nach Rinde?
Volker Weidermann (31), Kultur
Herr und Frau Robinson
Eine habe ich noch. In der obersten Schublade von meinem Schreibtisch, der zugleich als Spind fungiert, bewahre ich eine gar wunderhübsche Farbpostkarte auf. „Verführ mich“ steht auf dieser Karte. Abgebildet sind eine nackte schöne Dame, ein Apfel in ihrer rechten Hand, eine Schlange, die ihren Schoß umschlängelt, sowie ein ebenfallsnackter Mann, der lüstern ihren Kopf umbaumelt. Ursprünglich hatte ich sogar zwei von diesen Karten, die für die RTL-II-Serie „Expedition Robinson“ warben. Ich bekam sie vor einem halben Jahr und bewahrte sie sorgsam auf, um sie bei der nächsten Gelegenheit an vergötterte Frauen zu verschicken. Der erste Versuch schlug leider fehl, ebenso wie die gefloppte Fernsehserie. Schade. Aber eine habe ich ja noch.
Lukas Wallraff (30), Inland
Lucy Liu
Was wäre der Morgen, ohne vorher einen Blick auf wohlgeformte Körper, glänzende braune Haut und strahlende Augen zu werfen. In meinem Spind hängt deshalb Dariusz Michalszewski, die Arme gebeugt, dass die Muskeln quellen und die Fäuste geballt, dass es eine helle Freude ist. Ich gestehe, Dariusz gefällt mir, obwohl ich 90 Prozent der Brandenburger nicht leiden kann. Der Ostbrandenburger Boxweltmeister ist eine Ausnahme. Weil er die Wahrheit sagt: „Nazis sind kleine, dumme Jungs, die nicht wissen, wovon sie reden. Manchmal müssen sie eins auf die Schnauze kriegen, damit sie kapieren.“ Das musste einmal gesagt werden. Schade nur, dass es Lucy Liu nicht getan hat. Sie bekäme sofort den Ehrenplatz in meinem Spind.
Richard Rother (31), Wirtschaftsredakteur im Berlin-Ressort
Renate Künast
Macht macht sexy. Und wer ist zur Zeit mächtiger und beherrscht die Medien mehr als die neue Verbraucherministerin Renate Künast. Deshalb habe ich als männlicher Bilderverbraucher mein bisheriges Pin-up Britney Spears gern gegen die starke Grüne ausgetauscht. Wenn ich jetzt morgens meinen taz-Overall aus dem Spind nehme, fällt mein Blick auf eine mächtige, eine sexy, eine ... – hach ja: Frau. Deren Bild zum starken Antrieb wird, wieder eine schöne Wahrheit-Seite zusammenzubasteln.
Michael Ringel (39), Die Wahrheit
Ilse Werner
Eigentlich sollte es die glitschige, glatzköpfige und an Schläuche angeschlossene Borg-Königin aus „Star Trek“ sein, androgyne Herrin über ein totalitäres Kollektiv und souveräne Blitzableiterin meiner schmutzigsten Begierden. Damit der Kopf frei wird für eine saubere Zeitung. Gern hätte ich auch ein Bild von Ilse Werner – nicht die pfeifende Greisin von heute, sondern die unverbaute Unschuld an der Seite von Hans Albers in der „Großen Freiheit“. Es ist schwer, dazu zu stehen. Und schwerer noch, an gute Fotos zu kommen. Meine Wahl fiel daher weniger wohl als übel auf eine Mischung aus beiden, auf Britney Spears. Und siehe da: Kollege Ringel hatte noch ein Bild übrig und schenkte es mir mit den Worten: „Achte darauf, dass ihr keiner weh tut!“ Wenn Männer zu sehr lieben ...
Arno Frank (30), Medien
Virginia
„Sag es nicht meiner Frau. Es sind ... Fotos ... Zigarettenpäckchen. Das Zellophan ... ist ziemlich weit heruntergerutscht, die Schachtel schon halb geöffnet ...“ (Er bricht das Telefonat ab).
Ralf Sotscheck (46), Irland-Korrespondent der taz
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