: Hemelinger Fehden
Ein Mobbing-Komplex hält die Hemelinger SPD in Atem, beteiligt: eine dubiose E-Mail, eine umstrittene Kneipe und eine Beirätin, die gegen Biertische kämpft. Nur: Wer mobbt hier wen?
VON ARMIN SIMON
Abgestraft? Weil er aus Hemelingen kommt? So will es Karl-Heinz Otten nicht ausdrücken. Aber sein Beinahe-Scheitern bei der jüngsten Kandidatenkür der SPD wird noch ein Nachspiel haben, „parteiintern“. Nur acht von 15 Deligierten der SPD-Ortsvereine Hemelingen, Arbergen/Mahndorf, Hastedt und Sebaldsbrück wollten ihn erneut für den Hemelinger Beirat kandidieren lassen. Ein „unerwartetes“ Ergebnis, räumen Genossen ein. Das war vor gut zwei Wochen.
Kurz darauf machte eine E-Mail die Runde, Betreff: „Eklat in der Hemelinger SPD“. Die lieferte eine Erklärung: Der Hemelinger Ortsverein sei verantwortlich dafür, dass statt des „populären Abgeordneten“ Rainer Nalazek der „im Stadtteil völlig unbekannte“ Jens Dennhardt einen guten Listenplatz für die Bürgerschaftswahl ergattert habe. Nalazek ist Vorsitzender des Ortsvereins Arbergen/Mahndorf, Dennhardt kommt aus Hemelingen. Rache ist bekanntlich süß.
Absender der E-Mail ist ausweislich des Vorspanns ein gewisser „Christian Rengstorff“, und das wiederum macht stutzig, denn so ähnlich heißt auch der Fraktionsvorsitzende der SPD im Hemelinger Beirat. Nur dass der auf ein zweites F im Nachnamen verzichtet – und mit dem Inhalt der Mail nichts zu tun haben will. Diese stamme „ausdrücklich nicht“ von ihm und sei „teilweise falsch“, stellte er klar. Er habe „Maßnahmen“ ergriffen, um die Identität von „cr1977bremen@web.de“ zu klären.
Haupt-Opfer des angeblichen Rachefeldzugs wurde indes die Beirätin Erika-Renate Hensel, die es gar nicht mehr auf die Liste schaffte. Sie sei eine „unbequeme Frau“, sagt sie.
Himmet Arslan würde das etwas unfeiner ausdrücken. Das hängt mit einem Brief zusammen, den Hensel, die um die Ecke wohnt, wegen der Sebaldsbrücker Kneipe Ende Mai 2005 ans Stadtamt geschrieben hat. Arslan hat ihn griffbereit hinter dem Tresen liegen. „‚Mehrere Herren‘“, berichtet Hensel darin, hätten „ohne sich im Gastraum aufzuhalten den umfangreichen hinteren Teil des Gebäudes, dessen Fenster stets durch Jalousien verhüllt sind, betreten“ und seien „während der gesamten Beobachtungszeit“ nicht wieder aufgetaucht. Und dass sich „bei der Bevölkerung“ der Eindruck eines „illegalen Bordells verstärkt“.
Arslan, offiziell nur Aushilfskraft und Hausmeister im von seiner Schwiegermutter betriebenen „La Ola“, weist das aufs Vehementeste zurück. „Drogen und Zuhälter“, sagt er, „das hasse ich“. Er führt ins Hinterhaus, zeigt zwei der Zimmer. Betten stehen darin, die Decken ordentlich aufgeschüttelt, in der Ecke ein Fernseher, im Nebenraum Waschbecken und Klo. Die Heizung ist aufgedreht, die Jalousien unten. Die Zimmer seien vermietet, an Monteure und alleinlebende Männer, sagt er. „Erkenntnisse“ über ein Bordell, teilt das Stadtamt mit, „haben wir nicht“.
In den umliegenden Straßen jedoch hält sich das Gerücht. Fast jeder hat es schon gehört, gesehen hat niemand etwas. Aber der Ruf der Kneipe ist schlecht. Die Wirtin hat Hensel wegen Verleumdung verklagt.
Das wiederum schlägt Wellen. Die SPD fragte, unter welchen Bedingungen die Staatskasse für die Prozesskosten von Beiratsmitgliedern aufkomme. Hensel, suggerierte der Kurier am Sonntag, wolle ihren Privatstreit mit Steuergeldern finanzieren.
„Absoluter Unsinn“, sagt Hensel dazu. Auslöser des Streits seien baurechtliche Fragen gewesen, etwa: Dürfe die Kneipe sommers Tische in den Vorgarten stellen? Und gestritten habe nicht sie, sondern der Beirat mit dem „La Ola“. Der habe sie auch beauftragt, die Hinweise aus der Bevölkerung dem Stadtamt mitzuteilen, das wiederum Schriftliches verlangte. „Das ist kein Privatstreit“, sagen selbst Beiratsmitglieder, die nicht zur SPD gehören. Und dass das Stadtamt das Stadtteilparlament monatelang „im Stich gelassen“ habe.
Das Gericht, ist Hensel nach der mündlichen Verhandlung sicher, werde die Verleumdungsklage abweisen. Die Vorwürfe seien unsubstantiiert, Beschwerden bei Aufsichtsbehörden zudem „ehrverletzungsfrei“. Nur ob der Staat gegebenenfalls ihre Kosten übernimmt, ist unsicher. Hensel habe schließlich unter privatem Briefkopf ans Stadtamt geschrieben, argumentiert das Gericht. Beiräte hätten keinen anderen, hält diese dagegen.
Die anonyme E-Mail macht übrigens die „Detektiv-Aktion gegen eine Sebaldsbrücker Gaststätte“ für Hensels Wechsel vom Sebaldsbrücker zum Hemelinger Ortsverein der SPD verantwortlich. „Das hat damit nichts zu tun“, beteuert Hensel. Der Anlass für den Zwist „war parteiintern“.