Helmes in Wolfsburg: Gesangseinheiten unter der Dusche
Patrick Helmes erlebt in Wolfsburg ein wundersames Comeback und trifft nun auf seinen alten Klub aus Leverkusen. Doch die Zukunft des Rheinländers ist zweifelhaft.
WOLFSBURG taz | Es ist verbürgt, dass die meisten Fußballprofis längst in zwei Parallelwelten leben. Die eine beinhaltet ihre öffentliche Rolle, auf dem Trainingsplatz, in den Stadien, und dazu gehört auch das, was Spieler über ihren Verein sagen. Sagen dürfen. Sagen müssen. Die realen Einschätzungen zur Wirklichkeit bleiben meist im Verborgenen, im privaten Kreis.
Nirgendwo scheint diese Diskrepanz größer geworden zu sein als beim VfL Wolfsburg, wo ein gewisser Felix Magath eine Heerschar von Spielern beschäftigt, die zwar alle irgendwann den Satz artig aufsagen, sich in Wolfsburg wohlzufühlen, in Wahrheit aber viele ganz anders denken.
Es verwundert nicht, dass in einer Presserunde nun auch Patrick Helmes beteuert hat, sich in Wolfsburg wohlzufühlen. Mit dem Nachsatz: „Und ich freue mich zurzeit auf jede Partie.“ Zumindest Letzteres dürfte kaum gelogen sein. Denn dass der 27-Jährige heute gegen seinen Exklub Bayer Leverkusen sein 87.
Bundesligaspiel bestreitet (und womöglich sein 37. Tor erzielt), schien vor wenigen Wochen ein Ding der Unmöglichkeit. Helmes, nicht der laufstärkste, aber einer der treffsichersten Schützen der Branche, stand im Grunde auf allen erdenklichen Wunschlisten jener Vereine, die im Winter einen Stürmer suchten.
Die Eintracht blitzte ab
Dummerweise stand auch eine unverrückbare Ablöseforderung im Raum, die eine Flucht aus dem östlichen Niedersachsen verhinderte – der Zweitliga-Aufstiegskandidat Eintracht Frankfurt blitzte bei Magath als Letztes ab. Was danach geschah, kam überraschend: Erst ließ der Alleinherrscher seine laufende Nummer 33 wieder mittrainieren und zuletzt sogar mitspielen.
Beim 1:2 gegen Hoffenheim verwandelte Helmes einen Elfmeter, beim 0:0 in Kaiserslautern mühte er sich neben Mario Mandzukic im Angriff, dem besten VfL-Akteur. Das Leverkusen-Spiel soll sachdienliche Hinweise liefern, ob beide Torjäger wirklich zusammenpassen.
Der vom Tribünengast zum Hoffnungsträger aufgestiegene Angreifer hat sich für die mitunter schwerlich nachvollziehbare Behandlung eine pragmatische Haltung zugelegt. „Wie oft war ich schon angeblich verkauft oder habe keine Rolle mehr gespielt – letztendlich lächele ich darüber.“
Selbst die Zeit, in der ihn der Zuchtmeister ins Regionalliga-Team verbannte (wo Helmes prompt die Rote Karte sah), sei lehrreich gewesen. „Ich habe die ganze Palette von oben nach unten mitgenommen.“ Ob es für den Mittelstürmer-Prototypen, der von Magath-Vorgänger Dieter Hoeneß für 5 Millionen Euro Ablöse und kolportierte 4 Millionen Jahresgehalt gelockt wurde, am Mittellandkanal tatsächlich eine Zukunft bis Vertragsende 2014 gibt, erscheint zweifelhaft.
Möglicher Nachfolger von Podolski
Dazu passt das neueste Gerücht, der Ur-Kölner Helmes könnte im Sommer für den Ur-Kölner Podolski kommen, wenn dieser zum FC Arsenal wechselt. Vermutlich würde für den 1. FC Köln die Hälfte der Ablöse vom 95-fachen Nationalspieler Podolski ausreichen, um den Exnationalspieler Helmes (13 Einsätze) wieder in die Domstadt zu lotsen. Offiziell äußern mag sich zu dieser Causa niemand; auch Helmes-Berater Gerd vom Bruch nicht.
Dafür spricht Bayer Leverkusens Manager Michael Reschke. Er behauptet, dass Helmes eine „Ur-Schussgewalt“ besitze, „die mit der von Podolski zu vergleichen ist“. Reschke war einer der Drahtzieher vor dreieinhalb Jahren, die Helmes unters Bayer-Kreuz lockten. „Patrick ist ein Fußballer mit einem speziellem Naturell und einer speziellen Spielweise“, sagt Reschke.
„Es kam oft vor, dass er ohne sich aufzuwärmen auf den Platz ging und volles Programm aus 30, 40 Metern aufs Tor zimmerte. Sein ganzes Wesen ist auf Toreschießen fixiert.“ Seine authentische Wesensart habe jedenfalls mächtig Eindruck hinterlassen.
„Seine Gesangseinheiten unter der Dusche waren legendär“, erzählt Reschke. „Wir waren damals echt ein eingeschworener Haufen“, erinnert sich auch Helmes. Doch dann folgt die Einschränkung: „Diese Zeit ist aber vorbei. Und wir brauchen die Punkte mehr.“ Er weiß, was ein Profi des VfL Wolfsburg zu sagen hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los