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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE Helm auf, Helm ab

STRASSENVERKEHR Gegen die Helmpflicht für Fahrradfahrer schrieb taz-Autor Michael Cramer an. Sie gefährde mehr als sie helfe, denn Autofahrer würden dann unachtsamer fahren. Nur die Versicherer könnten darüber jubeln. taz-LeserInnen halten mehrheitlich dagegen

Demnächst Helm

■ betr.: „Gefährlicher Helm“, taz vom 16. 7. 13

Ich sitze am Krankenhausbett meines gerade erst bei einem Fahrradunfall schwer am Kopf verletzten Mannes und lese mit Verwunderung die Argumentation von Michael Cramer: In einem Selbstversuch wurde festgestellt … Vor allem Versicherungskonzerne haben Interesse an einer Helmpflicht … Ich hätte so gerne Zahlen gelesen: Wie viele Menschen einem Helm ihr Leben verdanken. Wie viele Menschen nicht für den Rest ihres Lebens schlimmste Spätfolgen erleiden müssen, weil sie einen Helm trugen. Wie viele Menschen ihr Leben oder ihre körperliche und geistige Unversehrtheit verloren haben, weil sie keinen Helm trugen.

Wie wäre es mit der Anschnallpflicht im Auto – gilt da dasselbe, dass Leute selber entscheiden sollten, ob sie ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit schützen wollen oder nicht? Ich weiß: Es geht „nur“ um die Helmpflicht. Aber Leute, die selber hautnah mit solchen Fahrradunfällen zu tun hatten und vor allem die Professionellen, wissen sehr genau, dass man bei dieser Frage durchaus Pro und Contra abwägen sollte. Nach dem Unfall meines Mannes bekam ich schreckliche Geschichten zu hören und Feuerwehrleute, Ärzte und Pflegende wurden nicht müde, mir aus vollem Herzen entgegenzuschleudern: „Nächstes Mal Helm auf!“

GILA KLINDWORTH, Berlin

Sturz mit Folgen

■ betr.: „Gefährlicher Helm“, taz vom 16. 7. 13

Nach der Logik von Herrn Michael Cramer müsste ich also abwarten, bis auf allen Ortsstraßen 30 km/h vorgeschrieben sind, in jedem Ort die Radfahrer unübersehbar zahlreich und überall Radstreifen auf der Fahrbahn aufgebracht sind. Das ist mir zu gefährlich. In den letzten Jahren hatte ich drei Unfälle. Zwei davon hätten ohne Helm schwere Kopfverletzungen zur Folge gehabt. Bei einem wurde mein rechtes Armgelenk total zertrümmert. Ein Bekannter stürzte ohne Helm auf eine Bordsteinkante. Folge: Die Schädeldecke musste ihm zeitweise entfernt werden, damit die Schwellung nicht das Gehirn schädigte. Anschließend musste er wieder sprechen lernen. Ein anderer Bekannter stürzte ohne Helm in einer Kurve und brach sich das Nasenbein. Dabei zerrissen die Geschmacksnerven, sodass er lebenslänglich nur noch süß oder sauer schmecken kann. Alle diese Unfälle hatten eins gemeinsam: Da kein zweiter Verkehrsteilnehmer beteiligt war, wurden sie von der Polizei auch nicht aufgenommen, das heißt, sie gingen nicht in die Unfallstatistik ein. Wie soll das Unfallgeschehen und das Thema Helmpflicht korrekt analysiert werden, wenn alle diese folgenschweren Unfälle nicht wahrgenommen werden und nicht in die Statistik eingehen? ECKEHARD HIMMLER, Laasen

Lernfähige Radler

■ betr.: „Gefährlicher Helm“, taz vom 16. 7. 13

Das Verdienst seines Artikels besteht darin, dass er alles an Begründungen zusammenklaubt, was gegen eine Fahrrad-Helmpflicht auf dem Markt ist. Es ist gar nicht viel.

1. Die Behauptung, Autofahrer würden behelmte Radler rücksichtsloser behandeln als helmlose, grenzt für mich an Paranoia. 2. Statt den Helm zur Pflicht zu machen, solle man lieber mehr Radspuren auf der Straße und Tempo 30 in der Stadt einführen. Wieso spricht das eine gegen das andere? Weil 3. unterstellt wird, dass massenhaft die Leute ihr Rad stehen lassen würden, wenn sie Helm tragen müssten. Und weniger Radler bedeuten weniger Sicherheit. Als Beleg dienen die viel zitierten Erfahrungen in Australien, wo angeblich 30 Prozent der Jugendlichen das Rad stehen ließen, als die Helmpflicht kam. Dass das schon fast ein Vierteljahrhundert her ist (1991), wird dabei nie erwähnt. Radhelmpflicht besteht in Down Under bis heute; so schlimm können die langfristigen Folgen nicht sein. Womöglich sind auch Australier lernfähig. 4. Das einzige Argument, das mir überlegenswert scheint, sind die öffentlichen Rad-Leihsysteme. Hier müssten Helme zusammen mit den Rädern gesichert angeboten werden. Das wäre komplizierter als heute, ließe sich aber wohl lösen.

GERT HAUTSCH, Frankfurt a. M.

Tragt Signalweste!

■ betr.: „Gefährlicher Helm“, taz vom 16. 7. 13

Fahrradhelme schützen vor Schürf- und Platzwunden am Kopf. Ich hatte einmal nach einem läppischen Unfall (Bordsteinkante nicht gekriegt) einen verkratzten Helm und war froh, dass das nicht meine Kopfhaut war. Und tragt Signalwesten! Als ich die ersten Male abends mit dieser gelben Weste gefahren bin, habe ich gemerkt, dass die Autos oft brav hinter mir hergezockelt sind. Seitdem trage ich die Weste auch am hellen Tag. Sie sind preiswert, leicht in die Tasche zu stecken und signalisieren offenbar, dass der Mensch auf dem Rad irgendwas Offizielles ist, jemand von einer Behörde, die oder den man/frau besser nicht über den Haufen fährt.

DIETER MAIER, Frankfurt am Main

Fahrtraining nötig

■ betr.: „Gefährlicher Helm“, taz vom 16. 7. 13

Helmschutz sollte freiwillig bleiben, für den, der sich damit sicherer fühlt. Ich lebe in einer Urlaubsregion, in der die meisten Radfahrer Touris sind. Viele davon können noch nicht einmal geradeaus fahren und sind total unsicher. Von diesen tragen überproportional viele einen Helm, aber bessere Radfahrer werden sie dadurch nicht. Die beste Lebensversicherung ist es, Fahrtraining zu betreiben und aufmerksam und konzentriert zu fahren.

Ich besitze kein Auto und bin Fahrrad-Vielfahrer und entsprechend routiniert. Auch ich hatte in meinem Leben ein paar Stürze, aber der Kopf war niemals betroffen.Wer sich in den Verkehr begibt, nimmt automatisch ein Risiko auf sich. Für mich kommt ein Helm niemals infrage, bei Helmpflicht würde ich das Radfahren einstellen. Die Motivation des Radfahrens besteht für mich darin, mit der Kraft meiner eigenen Muskeln zu spielen, mich gesund zu erhalten und den frischen Wind und die Sonne an möglichst alle Teile meines Körpers heranzulassen. PETER A. WEBER, taz.de

Zweifelhaft

■ betr.: „Gefährlicher Helm“, taz vom 16. 7. 13

Als Rettungsdienst-Mitarbeiter finde ich diesen Beitrag höchst bedenklich. Helme retten Menschenleben! Einer bedrückend hohen Zahl der verunfallten Radfahrer wären schwere Verletzungen erspart geblieben, wenn sie einen Helm getragen hätten. Ihr Artikel ruft auch den Eindruck hervor, dass das Risiko mit Helm höher wäre, da man durch rücksichtsloses Verhalten der Autofahrer schneller verunfallen würde. Allerdings sind die „Belege“ dafür höchst zweifelhaft. Die unterschiedlichen Unfallzahlen in den USA und den Niederlanden nur auf den Helm zurückzuführen, ist albern. Das ignoriert Unterschiede in so essentiellen Dingen wie Verkehrsführung, Motorisierungsquoten und grundsätzliches Verhalten im Straßenverkehr. Über die Aussagekraft des Selbstversuchs einer einzelnen Person, die als Verkehrspsychologe vermutlich bereits ein bestimmtes Ergebnis erwartet hatte, brauchen wir wohl gar nicht zu reden. Tatsächlich aussagekräftig wäre, zu vergleichen, wie viele Radfahrer (k)einen Helm tragen, wie viele davon verunglücken und wie viele bleibende Schäden davontragen oder sterben. RETTUNGSDIENSTLER, taz.de