Heinrich von Pierer: Der ordnungswidrige Mister Siemens

Gegen Heinrich von Pierer ist wegen der Korruptionsaffäre bei Siemens ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Von Pierer war einst als Bundespräsident im Gespräch.

Siemens-Aufsichtsratschef von Pierer telefoniert 2006 am Rande einer Sitzung des Rats für Innovation und Wachstum in Berlin. Bild: dpa

Es ist eine merkwürdige Lage, in der der langjährige Siemens-Chef Heinrich von Pierer steckt. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat ihn gerade freigesprochen von den ganz großen Missetaten. Nur ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ist eingeleitet worden nach einem freiwilligen "Gespräch" mit den Ermittlern.

Gegen 270 andere Siemensianer wird dagegen derzeit strafrechtlich ermittelt - diese sollen die schlimmen Finger sein bei Siemens, Pierer nicht. So stellt sich die eine Seite des ehemaligen Mister Siemens dar. Andererseits stehen da weiterhin Vorwürfe und Fakten im Raum, die einen ungläubig schauen lassen angesichts dieses Persilscheins: Bis jetzt belegt sind 1,3 Milliarden Euro Schmiergeldzahlungen zwischen den Jahren 2000 und 2006. Pierer war damals zeitweise Konzernchef, im Anschluss wurde er Aufsichtsratsvorsitzender. Der gegenwärtige Siemens-Antikorruptionsbeauftragte hatte im Februar dieses Jahres erklärt, es sei kaum vorstellbar, dass aus einem Unternehmen eine so große Summe Geld verschwindet und die Führung davon nichts bemerkt.

Doch genau das behauptet Heinrich von Pierer, obwohl er selbst 2005 auf der Siemens-Hauptversammlung Schwächen in der Korruptionsbekämpfung eingestanden hatte. Mit allem Nachdruck will Pierer seinen Ruf als Ehrenmann aufrechterhalten, den er sich seit seinem Beginn bei Siemens 1969 in knapp vier Jahrzehnten aufgebaut hat. Fünf Ehrendoktorwürden hat der gelernte Jurist und Volkswirt eingesammelt, dazu die Ehrenstaatsbürgerschaft von Singapur - und die Ehrenmitgliedschaft des Erfurter Betriebsrates. Begründet war diese breite Hochachtung mit Pierers mitarbeiterfreundlichem und zurückhaltendem Führungsstil. So sanft war sein Umgang, dass der Siemens-Clan Ende der 90er-Jahre erschrocken eine "dramatische Verbesserung der Ertragslage" forderte. Pierer dachte sich flink einen Zehnpunkteplan aus, der das Unternehmen erfolgreich verschlankte - weiter in Absprache mit dem Betriebsrat. Solche Taten wurden wahrgenommen: Sogar als Bundespräsident war das CSU-Mitglied im Gespräch. Er beriet nicht nur Schröder, sondern auch Merkel, die sich mittlerweile aber diplomatisch von ihm getrennt hat.

"Moral und Profit sind kein Gegensatz", schrieb von Pierer 2003 in einem Sammelband über Wirtschaftsethik. "Im Gegenteil: Moralisches Handeln bringt langfristig Vorteile." Ob die These nicht nur schöner Schein war, muss sich noch zeigen. Denn auch Siemens ist Pierer auf der Spur - und scheint schlechtgelaunter zu sein als die Staatsanwaltschaft.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.