Heimsieg: HSV entdeckt den Kampf
Die Hamburger schaffen zu Hause ein 1:0 gegen Hannover 96. Das lag nicht nur an den Stars, sondern auch an Spielern wie Tolgay Arslan, 22, dem besten Mann auf dem Platz.
HAMBURG taz | Es gab Leute, die haben nach dem 1:0 (1:0)-Sieg des Hamburger SV gegen Hannover 96 am Samstag im ausverkauften Volksparkstadion gestaunt: „Was zwei Spieler ausmachen!“ Ahnung haben die nicht. Gemeint sind die Spieler Rafael van der Vaart und Milan Badelj, die am Tag, als der HSV 125 Jahre alt wurde, dem Tag der „Gala“, in der Startformation standen. Dabei hat HSV-Trainer Thorsten Fink viel mehr zurechtgeruckelt, als diese beiden.
Marcell Jansen, 27, spielt nicht mehr im linken Mittelfeld, sondern linker Verteidiger, und vielleicht ist er die Lösung für die Probleme, die Bundestrainer Joachim Löw auf dieser Position hat. Wer hatte die Idee, Jansen was anderes als linker Verteidiger spielen zu lassen? Heiko Westermann, 29, spielt wieder Innenverteidiger, auch wenn er einen fünf Zentimeter langen Riss im rechten Gesäßmuskel hat und sich sein Trainer fragt: „Wie der das macht, der Heiko? Das muss ein besonderer Mensch sein.“
Tolgay Arslan, 22, spielt im defensiven Mittelfeld. Ein kleiner schwarzhaariger Bursche, der seinem Trainer, der „nicht wusste, dass er defensiv so stark ist“, versprach: „Ich kann das“, woraufhin ihn der Trainer spielen ließ. Arslan war der beste Mann auf dem Platz. „Ich hatte unheimlich Bock, gegen Schlaudraff und Huszti zu spielen“, sagt Arslan. Vor allem auf Huszti, „der doch gerade von allen gelobt wird, den wollte ich kaputtmachen“. Nach 90 Minuten ist Szabolcs Huszti nicht kaputt, aber Husztis Spiel, und Jan Schlaudraff kommt zur zweiten Halbzeit nicht wieder.
Arslan muss in der 62. Minute runter, weil die Gefahr besteht, dass er vom Platz fliegt. „Der Schiedsrichter hat mir in der Halbzeit gesagt: Noch ein Foul und du fliegst.“ Darauf sagt Arslan zum Schiri: „Eins hab ich noch, weil die Gelbe Karte war kein Foul, das war ne Schwalbe.“ Und? „Der Schiri hat sich dran gehalten“, sagt Arslan.
Im HSV-Sturm spielt statt Marcus Berg nun Artjoms Rudnevs, der Lette. Er macht das Tor. Abschlag von 96-Keeper Ron-Robert Zieler, Arslan stoppt den Ball, weiter zu Heung Min Son, weiter zu Rafael van der Vaart, der nicht so stark ist wie gegen Gladbach, aber immer noch ganz gut, weiter zu Rudnevs, der aus Zieler einen Tunnel macht (20.).
Es gibt ein paar, die fragen, warum der HSV nicht immer so gekämpft hat, in den vergangenen Spielen, vergangene Saison. Weil das Kämpfen nicht von alleine kommt. Der HSV und Hannover spielen in der ersten Halbzeit gut. In der zweiten Hälfte spielt Hannover besser, der HSV konnte kämpfen, weil er in der ersten gut gespielt hatte. Wenn es läuft, läuft auch das Kämpfen. „Wir waren ganz klar die bessere Mannschaft“, sagt Konstantin Rausch, linker Verteidiger bei 96. Mirko Slomka, sein Trainer, formuliert es so: „Der HSV hatte am Tag seines Geburtstags auch ein bisschen Glück.“ Und René Adler im Tor. „Der hatte einen guten Tag“, sagt jemand zu Arslan. „Ne, der ist immer so gut, der ist Weltklasse“, weiß Arslan.
„Spielerisch geht das besser“, meint Fink, „aber das ist mir heute egal.“ Er widmet den Sieg den Fans, die vier Wochen in den Katakomben des Stadions die Choreografie vorbereiteten. Ein Spruchband, 380 Meter lang, zwischen fünf und acht Meter hoch, einmal rundherum: „Ob Titel, Triumphe und Legenden, ob Zafirov, Autowachs und rosa Hemden – unsere Geschichte ist einmalig und wird niemals enden!“ Martin Zafirov, Bulgare, kam in der Spielzeit 1997/98 von Lokomotive Sofia, kostete 600.000 Mark, spielte 43 Minuten gegen den VfL Wolfsburg, flog vom Platz, ging nach acht Wochen für 400.000 Euro zurück zu Sofia. „Autowachs“: Als Uwe Seeler Vorsitzender und Jürgen Engel Schatzmeister war, wurden für 48.500 Mark über eine Firma Engels dem HSV 5.040 Flaschen eines dänischen Autowachsmittels verkauft, das der Verein als Fanartikel verkloppte. Mit rosa Hemden kickte der HSV unter Präsident Peter Krohn.
Weiter kamen in der Choreografie vor: 45.000 Doppelhalter. 700 Fans bastelten etwa 16.000 Stunden an der Aufführung, Kosten: 70.000 Euro, finanziert über Spenden. „Wir wollten was zurückgeben“, erklärt Westermann, „die Fans hatten vergangene Saison nicht viel Spaß mit uns.“ Da hat er Recht.
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