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Heimatlose „Wally-Gemeinde“

■ Bremerhavens älteste Szene-Kneipe hat endgültig schlossen

Mit einem letzten Treffen der alten Wally-Gemeinde wurde am vergangenen Wochenende Bremerhavens legendäre Szene- Kneipe endgültig zu Grabe getragen. Das „Wally“ lag seit den 60er Jahren im Zentrum der „Alten Bürger“, Bremerhavens wichtigster Kneipenmeile und Szenepromenade. Besorgte Väter und Mütter sahen in der düsteren Tanzbar jahrzehntelang eine gefährliche Haschhöhle.

Als das „Wally“ im Januar 1989 geschlossen und Eingang und Fenster zugemauert wurden, gab es unter Jugendlichen nicht nur traurige Gesichter, sondern eine wochenlange Protestwelle mit nächtlichen Mahnwachen und lautstarken Demonstrationen durch die menschenleere Innenstadt. Wally-Wirt Mick Kaiser fand einen neuen Raum abseits der Alten Bürger im Einzugsbereich des Bremerhavener Rotlicht-Viertels, wohin ihm nur noch treue Fans folgten, während die Jüngeren fernblieben. Das neue Wally setzte die Tradition des alten fort: Kein Verzehrzwang, „kein Schicki-Micky- Kram“, sagt ein Besucher, der die Szene als „anarcho punkmäßig“ beschreibt: „Tanzen konnte man optimal, keiner hat dich schief angeguckt, es war ein lockeres Ding.“

An dem lockeren Ding störten sich die Nachbarn, die die anderen nahegelegenen Spelunken in Kauf nehmen. Der Wirt erhielt Hetzbriefe und eine Unterschriftenliste gegen den Krach. Neue Auflagen der Stadt hätten etwa 50.000 DM gekostet. Als ein Kredit platzte, gab Mick Kaiser auf. „Das war der letzte Subkultur- Treff“, sagt einer seiner Kneipiers, der in Bremerhaven keine Alternative sieht. hh

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