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Archiv-Artikel

Heim in die Fabrik!

Vom Büro in die gute Stube und das ohne Tür. In den Lofts in der Neustadt ist das kein Problem. Frage: Lebst du schon, oder arbeitest du noch?

Es bläst und windet. Immer und immerzu. Die Westerstraße in der Neustadt ist eine zugige Schneise, Nordost-Südwest, die sich allen bisherigen Gestaltungsversuchen gegenüber als resistent erwiesen hat. Dabei verrät ein Blick auf den Stadtplan, welche Potenziale hier ruhen: ein Katzensprung zum Wasser, dahinter lockt die City. Zentraler kann man kaum wohnen. Und wer den Wandel der alten Neustadt vom innerstädtischen Industriegebiet zum attraktiven Wohnquartier verfolgt hat, könnte auch mit der Westerstraße eine gewisse Hoffnung verknüpfen.

So ähnlich werden es auch Anne Florine Schönfeld und Ralf Heysel gesehen haben. Die beiden jungen Architekten konnten mit ihrem „Baubüro BOB 01“ in der Westerstraße 72/74 gerade eines der ungewöhnlichsten Bremer Wohnungsbauprojekte fertig stellen. Den beiden war klar, dass die Lage mit Blick auf einen Fabrikbau aus den 50er-Jahren nicht zur Top-Wohnadresse reicht. Ihr Konzept: Wohnungen anbieten, die „als flexible Nutzeinheiten den Ansprüchen neuer Lebens- und Arbeitsweisen gerecht werden“. Soll heißen: Für immer mehr Menschen sind Wohnen und Arbeiten keine strikt getrennten Sphären mehr. Büro und Wohnzimmer gehen heute vielfach fließend ineinander über.

In aufgelösten Lager- und Fabrikhallen, so genannten Lofts, wurden solche Möglichkeiten zunächst von Künstlern entdeckt. Inzwischen sind Loft-Häuser auch ein Neubau-Typus. Sein Kennzeichen ist der noch nicht unterteilte Großraum, den man nach Bedarf und Gusto ausbauen kann. So auch beim rot gestrichenen Neustädter Haus. Es bietet auf fünf Etagen zehn Wohneinheiten von bis zu 115 Quadratmetern. Sie sind leer – bis auf eine Badezimmerbox, die selbst den Anschein erweckt, verschiebbar zu sein. Acht Lofts erstrecken sich je über zwei Etagen. Eine Deckenaussparung verstärkt die räumliche Einheit.

Zur Straßen- und zur Hofseite sind die Lofts fast vollständig verglast: Ein Quäntchen Extrovertiertheit ist für Freunde dieser Wohnform nicht von Nachteil. Das gilt besonders für die mittleren, direkt zu den kurzen Laubengängen orientierten Lofts. Ein Kellergeschoss gibt es nicht. Die entsprechenden Abstellräume liegen im Erdgeschoss neben der Durchfahrt zum Hof.

Wenn auch die Eigengestaltung des zukünftigen Bewohners zentraler Bestandteil des Konzepts ist, so erweist sich die architektonische Sprache als ambitioniert. Geprägt ist sie von Materialien wie Sichtbeton, Stahl und Holz.

Leider, das hat sich inzwischen gezeigt, gibt es offensichtlich eine Kluft zwischen Wohnkonzept und Geldbeutel. Die, die gern in einem Loft leben würden, können es sich nicht leisten – und wer sich einen leisten könnte, bevorzugt andere Wohnformen. Pech für die Loft-Architekten.    Eberhard Syring