Heiligendamm: Grüne klagen gegen G 8-Einsatz
Die Bundestagsfraktion will wegen der Militäreinsätze beim Gipfel vors Verfassungericht ziehen. Dazu hat sie jetzt ein Gutachten vorgestellt.
BERLIN taz Bundeswehrflugzeuge, Spähpanzer und mehr als 1.100 Soldaten waren während des G8-Gipfels in Heiligendamm im Einsatz. "Amtshilfe", nennt das die Bundesregierung. Die Soldaten hätten lediglich die Polizei unterstützt. "Verfassungswidrig", kontern die Grünen. Deren Bundestagsfraktion will bis Anfang November vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Einsatz der Bundeswehr in Heiligendamm einreichen.
Die Grünen-Fraktion hatte nach dem Treffen der acht größten Industrienationen im Juni ein Gutachten in Auftrag gegeben. Zwei Rechtswissenschaftler der Universität Frankfurt am Main sollten untersuchen, ob der Einsatz der Bundeswehr mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Juristen Günter Frankenberg und Andreas Fischer-Lescano kamen zu einem klaren Ergebnis: "Das war keine Amtshilfe, das war ein Einsatz, ein klarer Bruch der Verfassung durch die Bundesregierung", sagte Frankenberg am Freitag. Für die Sicherheit im Innern sei die Polizei zuständig. Über Einsätze der Bundeswehr müsse der Bundestag befragt werden. Wurde er aber nicht.
Mit dem Einsatz von Tornadod, Panzern und bewaffneten Feldjäger sei die Grenze der "Amtshilfe" deutlich überschritten, sind die Rechtsexperten überzeugt. Verfassungsrechtlich in Ordnung gehe der Einsatz von Bundeswehrsantitätern oder logistische Unterstützung.
"In Heiligendamm aber gab es Eingriffe in die Grundrechte", sagte Frankenberg. Die Luftaufnahmen, die die Aufklärungsflugzeuge machten, hätten die informationelle Selbstbestimmung der fotografierten Personen verletzt. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte: "Zwei Fotos zeigen, dass es um Personenerkennung ging."
Nach Ansicht Frankenbergs hat die starke Präsenz der Sicherheitskräfte die Demonstrationsfreiheit der G8-Gegner beschnitten. "Die Öffentlichkeit wurde vom eigentlichen Thema der Demonstration abgelenkt." Medien hätten mehr über das Polizeiaufgebot berichtet als über die Forderungen der Demonstranten. "Wenn schon darüber berichtet wird, überlegt sich mancher, doch nicht zur Demonstration zu gehen, weil das gefährlich werden könnte." Die Protestierer hätten auch nichts vom Tiefflieger-Einsatz gewusst. Selbst die Armee warne bei Manövern Soldaten am Boden vor Tieffliegern. Sogar Angriffe sollen über einem Camp simuliert worden sein, ergänzte Ströbele. Die Bundesregierung bestreitet das.
Mit der Klage wollen die Grünen die "schleichende Verfassungserosion" aufhalten. "Nicht weitergekommen sind wir leider bei der Frage, was genau die Polizei während des Gipfels getan hat", sagte Ströbele. Für den Grünen-Politiker ist es unbegreiflich, warum der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern noch keinen Untersuchungsausschuss dazu einberufen hat. Er sei zuständig, da die Polizei Ländersache sei. "In Heiligendamm waren Zivilbeamte im Einsatz", sagte Ströbele. "Was haben die dort gemacht? Haben sie die Demonstranten provoziert? Am Ende gar zum Steinewerfen aufgefordert?"
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