Heikler Prozess in Kiel: Neonazis gegen Hells Angels
Ex-NPD-Landeschef Borchert soll einen Rocker mit dem Messer schwer verletzt haben. Nun wird ihm in Kiel der Prozess gemacht. Besucher und Verfahrensbeteiligte trennt Panzerglas.
KIEL taz Im Landgericht herrschen scharfe Sicherheitsmaßnahmen. Sondereinsatzkräfte mit Schutzwesten führen penibel Einlasskontrollen durch. Die Behörden am Schützenwall in Kiel sind vorsichtig. Steht doch seit Montag der Neonazikader Peter Borchert wegen eines Messerangriffs auf zwei Mitglieder der Hells Angels vor der Großen Strafkammer. "Mein Mandat wurde lebensgefährlich verletzt", betonte Michael Gubitz, Rechtsbeistand von Dennis K.
Als kurz nach 9 Uhr der Vorsitzende Richter den Prozess eröffnete, war klar: Die befürchteten Auseinandersetzungen zwischen Hells Angels und Neonazis zu Verfahrensbeginn blieben aus. Eine Schießerei am Donnerstag in Kaltenkirchen hatte die Sorgen verstärkt. Dort schossen Unbekannte den Bruder von Ralf D., André, nieder. Als Zeugen sollen beide Brüder, die in der rechtsextremen Szene sind, vor dem Gericht aussagen. Ein Racheakt und eine Warnung von den Hells Angels, denken Ermittler.
Im Saal 132 trennte eine Panzerscheibe Prozessbeteiligte und Besucher. Rechts vom Richterpult aus wiesen Polizisten Rechtsextremen die Plätze zu. Links durften sich Hells Angels setzen. Borchert, einst NPD-Landeschef und heute Anführer "Autonomer Nationalisten", betrat als Letzter den Saal - mit Glatze und in Handschellen. Der 35-jährige Borchert hat bereits zehn Jahre Gefängniserfahrung - auch wegen eines Tötungsdelikts. Verstärkt suchten seine Augen nach Freunden, als die Anklage wegen "gefährlicher Körperverletzung" verlesen wurde.
Kurz trug Staatsanwältin Silke Füssinger vor, dass Borchert von Ralf D. gebeten worden sei, mit Kameraden am 29. August 2008 zum Kieler Amtsgericht zu kommen. Dort sollte Ralf D. sich wegen eines früheren lebensbedrohlichen Messerangriffs auf den Hells Angel Dennis K. verantworten. Füssinger hob hervor, bewusst hätte Bochert die Gruppe angewiesen, schwarz gekleidet, mit Sonnenbrille und Basecap zu kommen, um Tatzuschreibungen zu erschweren. Dennis K. kam auch mit "guten Freunden". Sofort hätte Borchert auf ihn und einen weiteren "Angel" mit einem Messer eingestochen. Eine Schlägerei zwischen 30 Rockern und Rechten brach aus. Borchert, so Füssinger, habe "den Zusammenstoß provoziert" und gewusst, "dass die Stiche geeignet waren, das Leben des Opfers zu gefährden". Der Angeklagte erwiderte nur: "Ich möchte zur Sache nichts sagen."
Als Ursache der Streits nennt Borcherts Rechtsbeistand Christian Banger, der in der NPD ist, ausstehende Schulden. Der Anwalt des Hells Angels Dennis K. beklagte gegenüber der taz, dass "trotz unklarer Beweislage weiter gegen 15 Hells Angels ermittelt wird, während die Ermittlungen gegen 9 Rechtsextreme eingestellt wurden".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung