Hegemonialmacht USA: Jamaika am Tropf
■ Mißerfolge der Strukturanpassungsdarlehen der Weltbank / Rückfall auf das Entwicklungsniveau von 1972 / Unorthodoxes IWF-Programm
Teil 11: Claudia von Braunmühl
Jamaika am Tropf
Mißerfolge der Strukturanpassungsdarlehen der Weltbank / Rückfall auf das Entwicklungsniveau von 1972 / Unorthodoxes IWF-Programm
Jamaika und der IWF für die siebziger Jahre - eine bekannte Geschichte: Wie die 1972 an die Regierung gekommene links -sozialdemokratische People's National Party unter Führung Michael Manleys zehn Jahre nach formeller Unabhängigkeit und von Auslandskapital kontrollierter Industrialisierung ein soziales und kulturelles Erneuerungsprogramm auf ihre Fahnen geschrieben hatte; wie 1973 die Energiekrise den dafür benötigten Ressourcenteppich wegzog; wie 1974 die PNP den Sozialismus ausrief und mit diesem Programm 1976 die Wahlen erneut gewann und dann innergesellschaftlich wie international dermaßen in die Enge geriet, daß sie 1977 erstmals zum IWF gehen mußte und schließlich angesichts jährlich härterer Auflagen 1980 mit dem IWF brach, diese Entscheidung zum Gegenstand von Wahlen machte und haushoch verlor.
Die achtziger Jahre sind weniger bekannt, obwohl nicht weniger dramatisch. Der marktwirtschaftlich orientierten Jamaica Labour Party unter Führung Edward Seagas mußten die vom IWF gestellten Bedingungen zunächst nicht aufgezwungen werden. Das waren immer die gleichen fünf Forderungen: 1. Abwertung der Währung, 2. Aufhebung aller Importbeschränkungen und Subventionen, 3. Kürzung der Staatsausgaben, 4. Exportorientierung der Wirtschaft, 5. Abbau sogenannter „Investitionshemmnisse“, z.B. durch die Sicherung des Gewinntransfers privater Unternehmen. Das erste Abkommen vom März 1981 war noch relativ milde und das parallel gewährte Strukturanpassungsdarlehen (SAL) der Weltbank eher großzügig. 1982/83 brach der internationale Markt für Bauxit, dem Rohmaterial zur Aluminiumproduktion, ein und Jamaika verlor 40 Prozent seiner Einnahmen. Die sowieso viel zu optimistisch angesetzten Zielgrößen wurden unerreichbar. Das Abkommen wurde sistiert und Neuverhandlungen aufgenommen. Das zweite Abkommen vom Juni 1984, gefolgt von SAL II der Weltbank, stellte ungemein scharfe Bedingungen und wurde allgemein als aufgezwungen erlebt: Über 300prozentige Abwertung, Entlassung von einem Drittel der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, eine extrem hochgehaltene Zinsrate von fast 40 Prozent. Die Folge war ein dramatischer Verfall der öffentlichen Versorgung und des Lebensstandards der Masse der Bevölkerung sowie dermaßen ungünstige Investitionsbedingungen, daß weder in- noch ausländische Anleger Lust zeigten, ihr Kapital zu plazieren. Wieder wurden die Zielauflagen nicht erreicht und das Abkommen abgebrochen. Das dritte, wieder sehr „strenge“ Abkommen vom August 1985 mußte schon einen Monat später suspendiert werden. Das dritte SAL der Weltbank äußerte sich zwar enttäuscht über den Erfolg der Restrukturierung, bestand aber weiterhin auf Weltmarkteinbindung, insbesondere der Landwirtschaft und der Herstellung günstiger Bedingungen für private Investitionen.
Soziale Unruhen, politischer Protest und nicht zuletzt erheblicher Widerstand sämtlicher Kapitalfraktionen im Verein mit substantiellen Einsparungen durch die Ölpreisverbilligung von 1984/85 führten die Regierung schließlich dazu, in den erneuten Verhandlungen mit dem IWF eine härtere Haltung einzunehmen. Das neue Abkommen mit dem IWF vom März 1987 fiel unorthodox milde aus.
Mittlerweile sitzt Jamaika auf einem Schuldenberg von 3,5 Mrd. US-Dollar. Nur zwölf Prozent davon entfallen auf Geschäftsbanken, der Rest auf IWF, Weltbank und die interamerikanische Entwicklungsbank, Institutionen also, die Schuldenerlasse nicht erlauben. 1986 war das Land auf den Entwicklungsstand von 1972 zurückgefallen. Erziehungs- und Gesundheitssystem sind in einem ungekannt verrotteten Zustand. 50 Prozent der Bevölkerung stehen auf der Empfängerliste der 1984 wieder eingeführten Nahrungsmittelhilfe. Nationale wie multinationale Geber bieten Armutsbekämpfungsprogramme an, während die obere Mittelschicht sich in demonstrativem Luxuskonsum übt und sich an dem Kreditsegen bereichert. 1987/88 sind erstmals vorsichtig positive Wachstumsziffern zu verzeichnen, ohne daß ersichtlich ist, wie es je ausreichen könnte, von einer 150 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmachenden Verschuldung, deren Zinsendienst allein 42 Prozent des Exporteinkommens verschlingt, herunterzukommen.
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