: Heftige Kämpfe um libysche Küstenorte
LIBYEN Regierungstruppen sind offenbar auf dem Vormarsch und bombardieren Ölanlagen. Rebellen scheinen unterlegen. Weitere Beratungen über Flugverbotszone. EU-Parlament will schnelle Reaktion
TRIPOLIS/BRÜSSEL rtr/ap/dpa | Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi stehen offenbar vor der Rückeroberung der Städte Sawija im Westen des Landes und der Hafenstadt Ras Lanuf. Nach Agenturberichten setzten die Truppen Panzer, Raketen und Kampfflugzeuge gegen die Rebellen ein. Weite Teile der Städte seien zerstört worden, hieß es. In Lanuf stünden die Truppen Gaddafis in den Außenbezirken, in Sawija seien sie nur noch anderthalb Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.
In der Mitte des Landes ist offenbar eine Ölanlage getroffen worden, wie ein Sprecher der Opposition erklärte. Die Artillerie der Regierungstruppen habe eine Pipeline und einen Tank getroffen. Ein Reporter in der Nähe der Front sah eine Explosion mit einem gelben Feuerball im Gebiet des Ölfelds von Sidr, rund 580 Kilometer östlich von Tripolis. In der Nacht hatte Gaddafi die Bevölkerung dazu aufgerufen, die von den Rebellen kontrollierten Gebiete im Osten des Landes wieder zu übernehmen. Gaddafi warf dem Westen ein Komplott vor und machte al-Qaida erneut für die Revolte verantwortlich. Die westlichen „Kolonialmächte“ wollten Libyens Ölvorkommen kontrollieren und das libysche Volk erniedrigen und zu Sklaven machen, erklärte Gaddafi in einer Fernsehansprache.
Unterdessen ging die Diskussion um die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen weiter. US-Präsident Barack Obama und Großbritanniens Premier David Cameron waren sich nach einem Telefonat einig, Pläne für das „gesamte Spektrum möglicher Antworten“ voranzutreiben, auch bei der Nato. Mögliche Maßnahmen seien neben humanitärer Hilfe auch ein Waffenembargo sowie eine Flugverbotszone. Cameron sagte der BBC, Gaddafi tue seinem Volk „furchtbare Dinge“ an. „Wir können nicht einfach danebenstehen und das zulassen.“ Gaddafi müsse isoliert werden und erkennen, dass er abtreten müsse.
Auch die großen Fraktionen im EU-Parlament drangen gestern bei einer Debatte auf die Errichtung einer Flugverbotszone. „Gaddafi ist ein Mörder und Verbrecher, der vor ein internationales Strafgericht gehört“, sagte der SPD-Abgeordnete Martin Schulz. Vertreter der libyschen Opposition forderten in Brüssel die Anerkennung Europas und umfassende Hilfe vonseiten der EU. Der Oppositionspolitiker Mahmoud Jibril vom Interims-Nationalrat (TCM) bat des Weiteren um technische Hilfe, die auch durch die Kriegsschiffe vor der Küste Libyens geleistet werden könne. Deutlich sprach er sich jedoch gegen eine „physische Präsenz ausländischer Soldaten auf libyschem Boden“ aus.
In Kairo war gestern überraschend ein Abgesandter Gaddafis per Privatflugzeug eingetroffen, der um ein Treffen mit der ägyptischen Militärführung bat.