Hedgefonds-Regulierung: Das Entsetzen der Briten
80 Prozent der Hedgefonds sind in London angesiedelt, von den neuen EU-Regeln fürchten die Briten wirtschaftlichen Schaden. Sie mussten die Entscheidung zähneknirschend hinnehmen.
DUBLIN taz | Er glaube, dass Großbritannien die Entscheidung über die Regulierung von Hedgefonds einsehe, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gestern beim Treffen der Finanzminister in Brüssel. Das ist ein Irrtum. Der britische Schatzkanzler George Osborne hat die Entscheidung nur zähneknirschend hingenommen, weil er sie nicht verhindern konnte.
Seinem Vorgänger Alistair Darling war es beim letzten Ecofin-Treffen im März gelungen, den spanischen Premierminister José Luis Zapatero zu überreden, die Abstimmung bis nach den britischen Wahlen zu vertagen. Osbornes Vorstoß bei seiner spanischen Amtskollegin Elena Salgado wurde am Freitag jedoch zurückgewiesen. So musste Osborne bei seinem ersten Besuch in Brüssel nach seinem Amtsantritt eine Niederlage einstecken. Das war auch peinlich, weil es die Europaabgeordneten der Liberalen Demokraten waren, die neue Regeln für Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften gefordert hatten.
80 Prozent der Hedgefonds sind in Großbritannien angesiedelt, obwohl viele davon ihren Sitz in den USA oder in Offshore-Finanzzentren haben. Die Hedgefonds-Industrie ist weltweit zwei Billionen Dollar wert, sie bringt Großbritannien 5,3 Milliarden Pfund an Steuern im Jahr ein. 10.000 Menschen sind in Großbritannien direkt in diesem Sektor beschäftigt und weitere 30.000 indirekt - als Anwälte oder Buchhalter zum Beispiel.
Der Think-Tank Open Europe warnte: "Diese EU-Direktive könnte der britischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen."
Andrew Baker, der Geschäftsführer der Alternative Investment Management Association, sagte: "Wenn ein Hedgefonds in London operieren kann, sollte er das genauso in anderen europäischen Finanzzentren tun können, ohne weitere Hürden überwinden zu müsse."
Er prophezeit katastrophale Folgen für Kleinunternehmen und Investments in ganz Europa. "Natürlich werden Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften zuerst von solch einer fehlerhaften Direktive getroffen, aber die Folgen sind viel weitgehender", sagte er. "Sie werden auch Immobilienmarkt und Investitionen in die Infrastruktur beeinträchtigen, denn die neue Regulierung betrifft auch solche Fonds." Damit sind Schulen, Krankenhäuser und Einkaufszentren gemeint.
In London ist der Markt schon vor der EU-Direktive in Bewegung geraten. Die Man Group, das größte Management-Unternehmen für Hedgefonds in Großbritannien, hat seinen größten Konkurrenten GLG Partners gekauft. "Die Regulierung und die höheren Kosten führen zu verschärftem Wettbewerb", sagte der Geschäftsführer der Man Group, Peter Clarke. "Manche werden entscheiden müssen, ob sie nach Europa kommen wollen oder nicht - die Hürden werden viel höher."
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