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Havarie auf Probefahrt - Zwei Tote

■ Eisenbahnfährschiff geriet bei Wendemanöver im Sturm außer Kontrolle / Opfer auf der Brücke herumgeschleudert

Zwei Tote, fünf Schwerverletzte und elf Verletzte - das ist die Bilanz der Jungfernfahrt einer bei der Bremerhavener Seebeck-Schichau-Werft gebauten Eisenbahnfähre auf hoher Nordsee. Bei Windstärke acht bis zehn geriet die Fähre „Railway III“ am Montag bei einem Wendemanöver außer Kontrolle. Gegen 18.00 Uhr stellte die Schiffsführung sämtliche laufenden Versuche ein und wollte wegen des anhaltend schlechten Wetters den Heimathaven Bremerhaven ansteuern. Beim Wendemanöver 30 Kilometer westlich von Helgoland kam es dann zur Katastrophe: „Grobe Querseen“ (Polizeibericht) schlugen gegen das leere Schiff, das teilweise eine Schieflage von 35 Grad erreichte. Die Fähre, leicht wie eine Nußschale, weil es keine Ladung an Bord hatte, holte so stark über, daß die Besatzungsmitglieder, die auf der Brücke standen, den Halt unter den Füßen verloren und hin und her geschleudert wurden. Ein Wachoffizier und ein technischer Begleiter der insgesamt 130 Mann starken Versuchscrew starben an den Kopfverletzungen, die sie sich auf der Brücke zuzogen. 16 weitere Mitglieder der Versuchscrew wurden schwer verletzt.

Die „Railway III“ befand sich bereits seit zwölf Stunden auf Testfahrt in der Nordsee. Bevor das Schiff seinen regelmäßigen Fährdienst aufnehmen sollte, sollte die Ausrüstung überprüft werden. Das 7.500 BRT-Schiff, 190 Meter lang, 22 Meter breit

und ausgelegt für eine Kapazität von 75 Eisenbahnwaggons, nahm nach der Havarie zunächst Kurs auf Cuxhaven, um die Verletzten medizinisch versorgen zu lassen. Zur Zeit sind noch fünf Besatzungsmitglieder in stationärer Behandlung.

Gestern gegen Mittag lief die havarierte Fähre auf der Schichau-Seebeck-Werft ein. Die Besatzungsmitglieder wurden mit einem werfteigenen Bus zum Parkplatz der Columbus-Kaje gefahren. Sie hatten offensichtlich Anweisung, niemandem über

ihre „Erlebnisse“ zu berichten. Der Schock stand ihnen noch ins Gesicht geschrieben. Bei der Werftleitung selbst hielt man sich zunächst bedeckt: Das Gelände wurde für JournalistInnen abgesperrt, beim Pförtner lag in dicker roter Schrift eine Anweisung, niemanden auf die Werft zu lassen. Pressesprecher Helmut Stöterau wimmelte telefonisch alle Anfragen ab. „Das Schiff gehört uns nicht. Jetzt werden erst einmal die Versicherungsagenten die Unfallursache untersuchen“, versuchte er, den Namen seines

Unternehmens aus der Havarie herauszuhalten. Neben einem dürftigen Tathergangsbericht ließ der Werftenvorstand lediglich sein Bedauern über die beiden Todesopfer verlauten.

Die Polizei Hamburg ermittelt noch in Sachen Unfallursache. Bevor man nicht alle Zeugen vernommen habe, könne man dort zu keinem abschließenden Urteil kommen, hieß es auf Anfrage. Wie groß der entstandene Schaden ist, läßt sich bisher ebensowenig absehen wie die Unfallursache. Markus Daschne

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