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Haut ab, schwule Säue

■ Rechte Jugendliche bedrohten das lesbisch-schwule Ostertreffen des Jugendnetzwerks Lambda bei Rheinsberg

Nach Drohungen rechter Jugendlicher mußte das lesbisch- schwule Ostertreffen des Jugendnetzwerks Lambda unter Polizeischutz stattfinden. Dies teilte einer der Organisatoren, Jean-Jacques Soukup, gestern der taz mit. In der Nacht zum Ostersamstag sei ein Transparent, das am Tor der Ferienanlage bei Rheinsberg auf die Veranstaltung hinwies, heruntergerissen, mit Benzin überschüttet und angezündet worden. Zuvor hatte gegen 23 Uhr eine Gruppe von sieben 20- bis 25jährigen rechten Jugendlichen Einlaß zu der nicht-öffentlichen Fete auf dem Gelände verlangt. Von dem Treffen hatten sie durch Berichte der Lokalpresse erfahren.

Einige Lesben hatten vorbeugend ein Sicherheitskonzept ausgearbeitet. Am Tor standen nachts Wachen. Sie wurden von den rechten Jugendlichen als „schwule Säue“ angepöbelt. „Was wollt Ihr hier?“ und „Haut ab!“ hätten die Jugendlichen, die aus der Gegend um Neuruppin und Rheinsberg stammten, gesagt, berichtete ein Teilnehmer gegenüber der taz.

Unter der Bedingung, daß sie ihre Baseballschläger im Auto lassen, seien die rechten Jugendlichen auf das Gelände gelassen worden. Vier von ihnen diskutierten im Gruppenraum mit 30 der insgesamt 80 TeilnehmerInnen aus Berlin und Brandenburg. „Die hatten einen Haufen Klischees über Schwule im Kopf, für die ist Schwulsein gleichbedeutend mit Unmännlichsein. Zu Lesben fiel ihnen gar nichts ein“, sagte Heiko (24), der in Berlin Aufklärungsarbeit an Schulen leistet. „Wir haben versucht, klarzumachen, daß unsere Liebe nicht anders ist als ihre. Die sind ziemlich in Argumentationsnöte gekommen, aber sie haben immer wieder gesagt, Liebe zwischen Männern könnten sie sich nicht vorstellen.“ Das Gespräch sei zwar „sachlich und ruhig“ verlaufen, aber „überzeugt haben wir sie nicht“.

Nachdem sie gegen zwei Uhr aufgefordert wurden, das Haus zu verlassen, skandierten die Rechten: „Asylantenheime müssen brennen!“ Außerdem hätten sie damit gedroht, wiederzukommen und die TeilnehmerInnen „aufzuklatschen“, berichtete Heiko. Als sie Loblieder auf Hitler und seinen Stellvertreter Rudolf Hess angestimmt hätten, sei einer der Organisatoren eingeschritten. Es sei dann gelungen, sie rauszuwerfen. Zuvor hätten zwei der Rechten versucht, in Rheinsberg Verstärkung zu holen, was ihnen aber nicht geglückt sei.

„Die Stimmung war danach ziemlich bedrückt“, so Heiko. Vor allem, wenn es dunkel wurde, seien viele TeilnehmerInnen unruhig geworden. „Wir haben die ganze Zeit damit gerechnet, daß noch etwas passiert“, sagt Soukup. Seit Samstag wurde das Gelände nach Einbruch der Dunkelheit von Polizisten bewacht, auch tagsüber fuhren Beamte dort Streife. Die TeilnehmerInnen selbst verständigten sich auf klare Verhaltensregeln.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag tauchten nochmals sechs Leute auf, davon zwei, die am Vorabend bereits dort gewesen waren. Sie hätten erneut Zutritt verlangt, seien aber nach einem Gerangel mit der Polizei von dannen gezogen, so Soukup. In der Nacht von Freitag auf Samstag sei außerdem eine Litfaßsäule, die die TeilnehmerInnen mit selbstentworfenen Plakaten beklebt und vor dem Schloß in Rheinsberg aufgestellt hatten, umgeworfen und angezündet worden.

Für Heiko war das alles „im ersten Moment unwirklich. Aber je mehr sich das setzt, desto mehr fühle ich mich auch im nachhinein bedroht. Ich nehme das jetzt ernster, daß da Leute massiv gegen uns sind.“ Die Organisatoren des Treffens haben Strafanzeige gestellt. Über den Stand der Ermittlungen wollte das Polizeipräsidium Oranienburg gestern aber keine Angaben machen. Dorothee Winden

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