Haushaltsexperte Tschentscher über die Elphi: "Stadt kannte Risiken"
Der Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie hat einen Zwischenbericht veröffentlicht. Demnach wusste die Stadt um das Kostenrisiko, verschleierte es aber Parlament und Öffentlichkeit gegenüber.
taz: Herr Tschentscher, der Parlamentarische Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie (PUA) hat wegen der baldigen Wahl seinen vorläufigen Bericht vorgelegt. Wissen Sie jetzt, wer die Kosten verantwortet?
Peter Tschentscher: Die Hauptverantwortlichen und wichtige Zeugen - Ole von Beust, Karin von Welck, die Architekten und Hochtief - konnten bisher nicht befragt werden. Wir haben aber etliche Faktoren ermittelt, die zur Kostensteigerung auf derzeit 323 Millionen beitrugen.
Als da wären?
Zum einen die frühe Ausschreibung und Auftragsvergabe. Sie erfolgten, als die Planung noch so unvollständig war, dass selbst die Generalplaner - die Architekten Herzog & de Meuron - vor hohen Kostenrisiken gewarnt haben. Aus den Akten geht hervor, dass sie gesagt haben, eine so frühe Ausschreibung könne zu großen Kostensteigerungen führen, weil Etliches nicht hinreichend geplant und damit nicht absehbar für die Kosten war.
Warum wurde trotzdem zügig ausgeschrieben?
Politische Motive haben sicher eine Rolle gespielt. Wenn man der Bürgerschaft berichtet hätte, dass es Komplikationen gab, hätte sich deren Zustimmung verzögert. Also hat man Nägel mit Köpfen gemacht und ist bewusst hohe Risiken eingegangen.
Wie wirkte sich das aus?
Nach längerem Verfahren blieben zwei Bieter übrig - Strabag und Hochtief. Strabag gab kein Angebot ab, weil sie aufgrund der unvollständigen Unterlagen nicht vernünftig kalkulieren konnte und einen Risikozuschlag von 100 Millionen Euro gebraucht hätte. Damit war der Stadt klar, dass es nicht nur um wenige Millionen ging, sondern um Kostenrisiken im dreistelligen Millionenbereich.
PETER TSCHENTSCHER 45, Mediziner, ist seit 2008 stellvertretender Vorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Seit Mai 2010 Vorsitzender des PUA Elbphilharmonie.
Und Hochtief?
Hat gesagt, wir bauen zu einem günstigen Festpreis - und dann auf Verträge gedrungen, die alle Risiken bei der Stadt lassen. Denn einerseits haben Herzog & de Meuron weiter geplant. Andererseits plante Hochtief als Investor den kommerziellen Mantel: Hotel, Tiefgarage und Gastronomie. Letztlich passte die Investorenplanung nicht zur Planung von Herzog & de Meuron, was zu teuren Änderungen führte.
Hat der Senat dem Parlament dieses Risiko mitgeteilt?
Nein. Er hat vielmehr mit Strabag Stillschweigen vereinbart und im Gegenzug Millionenaufträge zugesichert.
Aber es gab doch den Pauschalfestpreis von Hochtief.
Ja. Aber der war aufgrund der Planungslücken weder pauschal noch fest. Teils war nicht einmal die Entwurfsplanung fertig. Da wurde mit Budgets gearbeitet, die dann weit überschritten wurden. Zudem gab es technische Neuerungen, von denen nicht sicher war, ob sie so funktionieren würden. Ein Festpreis ist nur fest, wenn man nicht das "Bausoll" ändert - und das war absehbar.
Warum konnte Hochtief ein so günstigeres Angebot machen?
Wohl, weil Hochtief - wie der von der SPD beauftragte Gutachter Franz Josef Schlapka bereits gesagt hat - mit Mehrkosten und Nachträgen kalkulierte. Etliche Projektänderungsmeldungen, Baubehinderungsanzeigen und millionenschwere Mehrkostenforderungen legen das nahe.
Gab es ein Kostenlimit für Herzog & de Meuron?
Nein.
Warum nicht?
Weil hier "Weltarchitektur" entstehen sollte und die Architekten die Ausführungsplanung ohne Rücksicht auf die Kosten bis ins Detail bestimmen wollten.
Hätte man sie auf ein Preislimit verpflichten können?
Grundsätzlich ja. Aber dann hätten die Architekten vermutlich mehr Zeit für eine detaillierte Planung verlangt, um den Preis nennen zu können.
Erfuhr das Parlament von diesen Risiken?
Nein. Der Senat hat gesagt: Wir haben die weltbesten Verträge, und wir haben einen Festpreis.
Zu dem die Stadt im "Nachtrag 4" 137 Millionen hinzuzahlte, davon 30 Millionen Einigungssumme. Warum?
Weil der Bürgermeister mit dem Projekt aus den Schlagzeilen wollte. Eine Bauleistung seitens Hochtief gab es jedenfalls nicht.
Hochtief soll einen Baustopp angedroht haben.
Damit wurde argumentiert. Dabei war Hochtief gar nicht berechtigt, den Bau stillzulegen.
Der PUA hat wichtige Zeugen nicht befragt. Sollte er weitergehen?
Ich persönlich glaube, dass man die Frage nach der politischen Verantwortung nur klären kann, indem man den PUA wieder einsetzt. Es wäre wichtig, den früheren Bürgermeister von Beust zu befragen, warum er so entschieden und das Parlament so unzureichend informiert hat.
Steht im Abschlussbericht, dass der PUA weiterarbeiten soll?
Wir hatten diese Formulierung empfohlen, aber CDU und GAL wollten das nicht. Stattdessen steht dort, dass der Bericht für das nächste Parlament Grundlage sein soll, um über die Wiederaufnahme zu entscheiden.
Welche strukturellen Probleme des Projekts zeigt der Bericht?
Es wurde komplett an öffentliche Gesellschaften delegiert: die Rege und die Bau KG. Die Verantwortlichen der Stadt haben gelegentlich mitentschieden, hatten aber keinen Überblick. Sie haben sich nicht mal im Aufsichtsrat vernünftig informiert …
… und den Bau von Behörde zu Behörde geschoben.
Ja. Begonnen hat er als Prestigeprojekt in der Senatskanzlei des Bürgermeisters. Als die Sache kritisch wurde, ging sie in die Bau-, später in die Kulturbehörde. Mit dieser Verlagerung von Zuständigkeiten hat man auch Verantwortung weitergereicht und eine organisierte Nicht-Verantwortung hergestellt.
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