Haushaltsdebatte: Merkel reicht den kleinen Finger
Die Kanzlerinlobte auf der Haushaltsdebatte ausgiebeig ihre eigene Arbeit. Und stellte am Rande doch noch einen Post-Mindestlohn in Aussicht.
BERLIN taz Gut, dass es Gregor Gysi gibt. Der Mann kann reden, und in seiner Rolle als charmanter Giftzwerg bringt er Stimmung in den Bundestag. "Was haben Sie gegen die Einheitsschule, Sie sind doch auch aus dem Osten, Frau Merkel", stichelt er die Kanzlerin, "wir beide haben eine Einheitsschule besucht, und so schlecht sind wir doch gar nicht." Da müssen sogar die Herren im FDP-Flügel grinsen - obwohl sie sich strikte Anteilslosigkeit bei Reden der Linksfraktion verschrieben haben.
Ansonsten hat die stilistische Form des "Schlagabtausches" in Zeiten der großen Koalition nicht viel zu bieten. Die "Generalaussprache" zur Haushaltswoche im Bundestag beginnt mit Rainer Brüderle. Der FDP-Finanzexperte wirft der Union vor, sie wolle entgegen aller Versprechen "immer mehr Staat und weniger Markt". Nach Brüderle tritt die Bundeskanzlerin, gekleidet in einen schlichten schwarzen Hosenanzug, ans Rednerpult. Es ist ihr erster Auftritt im Bundestag, seit Exvizekanzler Franz Müntefering weg ist. Im Raum steht immer noch der Koalitionskrach um den Post-Mindestlohn, der in der Nacht vor Münteferings Rücktritt zu bösen Vorwürfen der SPD gegen die Kanzlerin führte.
Angela Merkel steht sehr aufrecht da, gestikuliert wenig, spricht fast vierzig Minuten mit nur einem einzigen Versprecher - und lobt mit Ausdauer ihre eigene Arbeit: "Wir werden das erste Mal einen einigermaßen ausgeglichenen Haushalt haben" (Gelächter bei der FDP), "Wir haben in die Familien investiert" (Gelächter bei Linksfraktion und Grünen), und: "Der Aufschwung kommt bei immer mehr Menschen an" (Gelächter bei allen Oppositionsparteien). Die Kanzlerin zählt weitere Erfolge auf: Eine Million weniger Arbeitslose, weniger ältere Arbeitslose, weniger Langzeitarbeitslose - und alles sei ihrem "Dreiklang" zu verdanken: Sanieren, Reformieren, Investieren. Und da sich die Chefin auf der Gewinnerseite sieht, reicht sie dem Koalitionspartner gnädig den kleinen Finger: Sie sehe "nach wie vor Möglichkeiten, zu einer Einigung beim Post-Mindestlohn zu kommen".
Für SPD-Fraktionschef Peter Struck wird es danach schwer, seine Rolle zwischen Gegenpart und Mitstreiter dieser Kanzlerin zu finden. Sein mausgrauer Anzug und seine etwas dumpfe, schwer verständliche Stimme bieten auch nicht gerade einen vorteilhaften Kontrast zur schwarzen Merkelschen Klarheit. Gewiss, auch Struck will sich einerseits für die Erfolge der Koalition rühmen. Einerseits. Andererseits nennt er die Differenzen: Die SPD ist für einen Mindestlohn, die Union dagegen. Die SPD bleibt beim Atomausstieg - die Union stellt ihn in Frage.
Denn von links stichelt schon wieder Gysi. "Ihr von der SPD könnt nicht immer mit Koalitionsdisziplin kommen", geht er die Genossen an. "Ihr müsst wieder sozialdemokratischer werden."
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