Haushaltsdebatte: Ein Hauch von Sozialismus
Die Opposition zeigt sich erstaunlich zahm bei der Haushaltsdebatte im Parlament. Dabei hätten CDU und FDP allen Grund zur Kritik: Denn der Etat trägt mehr denn je die Handschrift der Linkspartei
FDP-Fraktionschef Martin Lindner beginnt seine Generalabrechnung mit einem Lob: Die Haushaltskonsolidierung befinde sich auf gutem Wege. "Das ist eine gute Nachricht", sagt Lindner - um nach einer geschickt platzierten rhetorischen Pause hinzuzufügen, dass dies mit dem rot-roten Senat gar nichts zu tun habe. Die gestiegenen Einnahmen seien allein dem allgemeinen Konjunkturaufschwung zu verdanken.
Die traditionelle Prügelorgie der Oppositionsparteien bei der Abgeordnetenhaussitzung zum Landeshaushalt fiel erwartungsgemäß scharf aus - aber lediglich, was die Wortwahl betraf. "Nur Slogans, aber nichts dahinter", bewertete CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger die Regierungspolitik. SPD und Linkspartei hätten viel angekündigt, aber wenig geleistet. Den Haushalt bezeichnete Pflüger als "ideenlos", der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) solle von seiner "selbstgefälligen Arroganz" herunterkommen. Und Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig sprach von einem "politikfreien Haushalt", der die Stadt verwalte, aber nicht gestalte. Hinter dem "charmanten" Wowereit stehe eine "farblose Senatsriege".
Doch etwas unterscheidet diese Haushaltssitzung am Donnerstagmorgen von jenen Generaldebatten der vergangenen Jahre: Die Stimmung ist irgendwie anders. Entspannter. So wird viel an der Person Wowereit und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Müller herumgemäkelt. Weitgehend verschont hingegen bleibt Finanzsenator Thilo Sarrazin, der die Federführung über den Haushaltsentwurf hat. Ist das ein Indiz, dass die Abgeordneten über die Regierungsfraktionen hinaus zufrieden sind mit der Haushaltspolitik des SPD-Finanzsenators? Die Fraktionschefin der mitregierenden Linkspartei, Carola Bluhm, weiß zumindest zu berichten, dass die diesjährigen Haushaltsberatungen erstaunlich unaufgeregt und geradezu geräuschlos über die Bühne gingen. Sie bewertet dies als Erfolg für die Regierung. Niemand widerspricht ihr.
Allen OppositionsführerInnen ist anzumerken, dass es ihnen schwerfällt, einen Etat zu kritisieren, der zum ersten Mal ohne Nettokreditaufnahmen auskommt und sogar vorsieht, im kommenden Jahr rund 514 Millionen und 2009 etwa 90 Millionen Euro an Schulden abzubauen. Angesichts eines Schuldenbergs von rund 60 Milliarden Euro ist das zwar nicht viel, aber selbst FDP-Chef Lindner, rhetorisch der schlagkräftigste Widersacher Wowereits im Abgeordnetenhaus, gelingt es nicht, die Abgeordneten in den Regierungsreihen zu verunsichern. Im Gegenteil: "Wir lassen uns den Erfolg nicht kleinreden", ruft Wowereit. "Auch nicht von Ihnen, Herr Lindner." Tosender Applaus auf den Koalitionsbänken.
Größter Zankapfel ist denn bei der Haushaltsdebatte auch nicht so sehr der Haushalt an sich, sondern der wiedererstarkte Streit über den Flughafen Tempelhof. Immer wieder attackiert Pflüger den Regierenden Bürgermeister für sein Beharren, den Flughafen 2008 schließen zu wollen. Immerhin bemüht sich der CDU-Chef auch um finanzpolitische Argumente: Die Schließungskosten würden sich auf 43 Millionen Euro jährlich summieren. Zudem drohe Berlin, auf Risiken in dreistelliger Millionenhöhe für die Altlastensanierung sitzen zu bleiben. Eindruck macht das aber keinen. Wowereit wiegelt ab und verweist darauf, dass ohne die Vereinbarung zu Tempelhof überhaupt kein Geld vom Bund für die Hauptstadtsicherheit und der Sanierung der Staatsoper geflossen wäre. Allein für Letzteres konnte Wowereit vergangene Woche bei den Verhandlungen um den Hauptstadtvertrag dem Bund 200 Millionen Euro abringen. Im Gegenzug sagte Wowereit zu, dass das Land den Flughafen Tempelhof übernehmen und nach dessen Schließung im Herbst 2008 Defizite und Risiken weitgehend alleine tragen wird. Gegen den überraschend hohen Betrag zur Finanzierung der Staatsoper wirken Pflügers Zahlen mickrig.
Lindner nutzt seine Redezeit wiederum, um mit dem Thema Mindestlohn abzurechnen. Die SPD habe dafür gesorgt, dass beim Postdienstleister PIN des Springer-Konzerns bundesweit mehr als tausend Arbeitsplätze verloren gingen. Zwar erhitzt er mit diesem Thema bei vielen Abgeordneten tatsächlich die Gemüter, doch die Mindestlohndebatte hat die SPD im Bund zu verantworten, nicht die im Land. Und mit dem Haushalt hat das Thema schon gar nichts zu tun.
Die Oppositionsführer zielen vor allem auf die SPD. Die Linkspartei wird zwar auch immer gemeint, aber namentlich eher selten erwähnt. Dabei trägt der kommende Doppelhaushalt mehr als je zuvor die Handschrift des kleinen Regierungspartners. So sieht der Etat den Start des öffentlichen Beschäftigungssektors für Langzeitarbeitslose vor. Geplante Kosten: 80 Millionen Euro. Für das Projekt Gemeinschaftsschule hat die rot-rote Koalition rund 20 Millionen Euro veranschlagt. Das Schulessen soll ebenfalls stärker subventioniert werden. Und Schulanfänger aus sozial schwachen Familien können demnächst mit einer finanziellen Unterstützung von etwa 50 Euro für den Kauf von Schulmaterialien rechnen.
Diese Idee wurde bisher noch in keinem Bundesland umgesetzt - egal wie stark die Sozialdemokraten beteiligt waren. In Zeiten wieder wachsender Steuereinnahmen scheint sogar ein Hauch Sozialismus salonfähig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!