Haushalts-Kommentar: Finanzminister ohne Füllhorn
Steinbrück kann nicht in die Zukunft investieren. Er sagt, er hätte die Investitionen "auf hohem Niveau" stabilisiert, doch es reicht nicht einmal für einen Inflationsausgleich.
Ulrike Herrmann ist Autorin für Wirtschaftspolitik in der taz.
Nur Optimisten können Finanzminister sein, sonst müssten sie an ihren Etats verzweifeln. Peer Steinbrück zum Beispiel rechnet fest damit, dass die deutsche Wirtschaft bis 2011 durchschnittlich um jährlich 1,75 Prozent wächst. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel - und deckt sich nicht mit den Wachstumsraten, die in der letzten Dekade erzielt wurden. Aber eine Konjunkturkrise kann Steinbrück überhaupt nicht gebrauchen, deswegen kann nicht sein, was nicht sein darf.
Verräterisch ist, dass der Haushaltsentwurf nur die guten Wachstumszahlen des ersten Quartals 2007 erwähnt - und nicht fortschreibt, dass sich die Konjunktur im zweiten Quartal schon abgeschwächt hat. Steinbrück muss fest an das Wirtschaftswachstum glauben. Denn nur ein Aufschwung bringt ihm die wenigen zusätzlichen Steuermilliarden, über die er frei verfügen kann.
Der restliche Etat ist komplett verplant. Wer böswillig ist, könnte den Bundeshaushalt deshalb auch "Kasse für Renten, Pensionen und Soziales" nennen, denn fast die Hälfte des Etats fließt in die Altersversorgung sowie an Hartz-IV-Empfänger. Beides sorgt immer wieder für öffentlichen Unmut und wird gern genutzt, um zu behaupten, der Sozialstaat sei nicht mehr finanzierbar. Doch das ist Unsinn. Der Sozialstaat ist nur verwirrend finanziert. Der Rentenzuschuss, zum Beispiel, hat mit der Rentenversicherung eigentlich gar nichts zu tun. Er kommt vielmehr für die "versicherungsfremden Leistungen" auf, die der Staat bei den Rentenkassen deponiert hat. Denn Millionen von Menschen erhalten in Deutschland Renten, obwohl sie nie entsprechend in die Rentenkasse eingezahlt haben: Das beginnt bei den Aussiedlern und endet bei den Müttern, die Erziehungszeiten angerechnet bekommen. Es kann nicht sein, dass nur die sozialversicherten Angestellten für diese Lasten aufkommen sollen. Das ist zu Recht eine Gemeinschaftsaufgabe, die durch Steuern finanziert wird.
Für den Finanzminister aber sind die Folgen unerfreulich: Er kann nicht in die Zukunft investieren. Sein Etat ist so eingeschnürt, dass ihm nichts bleibt, als tapfer zu behaupten, er hätte die Investitionen "auf hohem Niveau" stabilisiert. Tatsächlich reicht es noch nicht einmal für einen Inflationsausgleich. Auch für Wissenschaft und Forschung bleibt nur wenig übrig - und das mitten im Boom!
Es rächt sich, dass Deutschland auf der Ideologie des "schlanken Staats" beharrt. Es ist unmöglich, zugleich den Haushalt zu konsolidieren, Unternehmensteuern zu senken und in die Zukunft zu investieren. Es ist zu befürchten, dass von diesen drei Zielen am Ende nur das eine falsche erreicht wird: die Steuersenkung für Großkonzerne.
ULRIKE HERRMANN
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