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„Hauptsache, wir amüsieren uns“

■ André Matthews (30) ist einer von 300 Fahrradkurieren in Toronto und für die WM der Fahradkuriere in Berlin, wo er auch gerne mal auf Rädern sein Geld verdienen würde

taz: Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Berlin gereist?

André Matthews: Eigentlich wollte ich gar nicht kommen, weil mir vor drei Wochen mein Fahrrad geklaut wurde. Dann haben mir Freunde ein Bike geliehen, und so hat sich jetzt mein Wunsch erfüllt, hierher zu reisen. Ich will vor allem Spaß haben und Leute treffen.

Wie schätzen Sie Ihre sportlichen Chancen ein?

Ich will schnell sein, das habe ich mir vorgenommen. Wer immer das Rennen gewinnen wird, der soll es gewinnen. Ich werde ihn dann beim nächsten Mal kriegen. Aber Hauptsache, wir amüsieren uns.

Wie lange arbeiten Sie schon als Fahrradkurier?

Seit ungefähr fünf Jahren. Zuerst bin ich für verschiedene Firmen gefahren, jetzt habe ich für gutes Geld eine feste Stelle gekriegt. Das gibt mir etwas mehr Sicherheit.

Wieviel verdienen Sie?

2.200 (kanadische) Dollar. Wir kriegen keinen Stundenlohn, sondern werden nach Ablieferung bezahlt. 2.200 Dollar, das ist viel Geld, okay. Aber wenn du deine Miete zahlst, die Telefonrechnung, das Kabel-TV, und wenn du dann noch mit deiner Freundin ausgehen willst, dann ist es nie genug.

Wie viele Biker gibt es in Toronto?

Wir sind ungefähr 300 in allen möglichen Firmen. Einige arbeiten sich durch die Firmen durch, andere haben feste Anstellungen wie ich. Im Moment ist das Geschäft etwas mau. Wenn es besser wird, will ich vielleicht eine eigene Firma gründen.

Sie gehören mit 30 Jahren schon zu den älteren.

Ich bin etwa in der Mitte. Der älteste bei uns in Toronto ist 47, der jüngste 14 Jahre alt. Die ganz Jungen sind Schüler und verdienen sich ein Extrataschengeld.

Und wie läuft der Verkehr in Toronto?

Es ist hart. Die Autos weichen keinen Zentimeter zurück. Wenn sie dich überholen wollen, dann überholen sie dich, und sie passen nicht auf. Es ist ein harter Job.

Hatten Sie Unfälle?

Vier Unfälle im letzten Jahr, aber ich bin noch am Leben, wie Sie sehen, und es geht mir gut. Ich lebe sehr gesundheitsbewußt, keine Zigaretten, keine Drogen, und nur ein winziges bißchen Alkohol, und ich mache viel Sport.

Und wie gefällt Ihnen Berlin?

Coole Stadt, sie gefällt mir ganz gut. Vor allem der Osten ist cool. Der Osten hat eine große Geschichte. Ich habe alles im Fernsehen gesehen, und jetzt erlebe ich das ganze Zeugs live. Das ist cool.

Viele Biker wollen ihre Arbeitsplätze tauschen. Würden Sie mitmachen und eine Zeitlang in Berlin fahren?

Ich würde das gerne machen, aber unsere Regierung ist zu langsam im Kopf, die halten sowas für verrückt und machen nicht mit bei der Arbeitserlaubnis.

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