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Archiv-Artikel

Hauptsache Zweiter

Ein Flensburger der auszog, um ewig Vize zu sein. Den 41:32-Erfolg des neuen deutschen Meisters konnte er nur am Videotext miterleben

aus Potsdam Matthias Anbuhl

Zugegeben – wir spielen nicht in München, Mailand oder Madrid. Dafür geht's gegen Kronau-Östringen, Wallau-Massenheim und Pfullingen. Schwamm drüber, denn die Titel klingen sogar im Handball nach großer, weiter Sportwelt. Und nicht nach Provinz. Pokalsieger und Deutscher Meister. Der Verein aus meiner alten Heimat, „unsere“ SG Flensburg-Handewitt, hat sich in diesem Jahr das Double gesichert. Das müssen uns die Fußballer aus Bremen erst noch nachmachen. Who the fuck is Werder?

MEISTER! Welch ein Triumph! Zum ersten Mal in der Vereinshistorie. Und ich kann nicht dabei sein. Mitten in der Saison verschlug es mich nach Potsdam. Nun sitze ich hier in meinem Exil, lasse den Bügelverschluss der heimischen Gerstensaftflasche ploppen und starre ungläubig auf den Videotext – natürlich NDR. Auf Seite 241 steht dort weiß auf schwarz geschrieben: SG Flensburg-Handewitt gegen die HSG Nordhorn 41:32. Vier Zähler Vorsprung und nur noch ein Spieltag. Den Titel kann uns niemand mehr nehmen. Ich verspüre Heimweh. Mit einem melancholischen Seufzer setze ich mich aufs Sofa, denke an die unzähligen SG-Fans daheim.

Wie lange mussten wir auf diesen Titel warten, wie oft haben sie uns verspottet. Als Bayer Leverkusen des Handballs. Ihr werdet nie Deutscher Meister und sogar Vizeburger. Selbst eine Homepage gibt es, auf der sich Kieler Fans über „unsere SG“ lustig machen: www.ewiger-zweiter.de. Zwölf Vize-Titel hat unser Team „errungen“.

Überhaupt gab es in Flensburg zuletzt nur wenig Grund zur Freude. Motorola, der größte Brötchengeber in der Region, möchte ein Drittel seiner Belegschaft auf die Straße setzen und Die Zeit veröffentlichte ein Ranking zum Wirtschaftswachstum in Deutschland. Meine Heimatstadt landete auf einem Abstiegsplatz - Rang 495. Da tut es gut, wenn die Tagesschau zumindest einen kurzen, fröhlichen Bericht von der Meisterfeier der Flensburger Handballer sendet.

In solch einem historischen Moment will ich nicht über Gebühr an meiner SG kritteln. Gut, das einstmals ländlich wirkende Management hat mich nicht selten genervt. Aber es war auch lustig. Wenn der örtliche Sparkassendirektor und Vereinspräsident (in Personalunion) nach einem Europapokal-Sieg im spanischen Ciudad Real im angeheiterten Freudentaumel das Don-Quijote- Denkmal erklomm – zur begrenzten Begeisterung der Einheimischen. Unvergessen auch die Bilder unseres lokalen Schlachtermeisters, der nach einem Sieg enthemmt im roten Unterhöschen im Brunnen einer europäischen Kleinstadt planschte. So ist sie, die Highsociety meiner alten Heimat.

Was wird nun aus meiner SG Flensburg-Handewitt nach der Meisterschaft? Bricht eine neue Ära an, mit vielen Titeln und wenigen Niederlagen? Mir wird Angst und Bange. Ich glaube, nächstes Wochenende gehe ich zu den Damen des 1. FFC Turbine Potsdam. Die haben in der Frauenfußball-Bundesliga in den drei jüngsten Spielzeiten verlässlich den Vize-Titel gewonnen. Und liegen in dieser Saison – Sie ahnen es schon – auf Rang zwei.