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Hattigs Offenheit entwaffnet die Große Koalition
Der Senat der Großen Koalition hat in den letzten Jahren großen Schiss gehabt, auf die Frage nach den Chancen der Sanierung eine ehrliche Antwort zu geben. Am Ende der ersten Sanierungsphase war dies genauso. Damals, 1995, durchbrach Henning Scherf am Rande einer kleinen Gewerkschaftsfeier die Sprachregelung und bestätigte offiziell, was alle Experten wußten: Bremen habe „null Chance“, die für 1998 vereinbarten Sanierungsziele zu erreichen.
Bremen wurde noch einmal eine zweite Phase der Sanierungshilfen zugestanden – und wie sieht es heute aus? Die Große Koalition antwortet gewöhnlich mit den Verweis auf das Wirtschaftswachstum, das leicht über dem Bundesdurchschnitt liegt – die neuen Bundesländer einbezogen. Das reicht nicht, um den Rückstand aufzuholen. Und das Wirtschaftswachstum führt nicht zu mehr Steuereinnahmen. Der alte Josef Hattig ist der erste Senator, der klar sagt: Die Sanierung der Staatsfinanzen wird so auch bis Ende 2004 nicht gelingen. Hattig macht sich offenbar auch nicht die Hoffnung zu eigen, dass die Bundesregierung Bremen mit dreistelligen Millionenbeträgen weiterhin hilft.
Politische Parteien haben die Privilegien des Grundgesetzes nicht dafür bekommen, dass sie „Radeln mit Henning“ veranstalten. Sie sollen an der politischen Willensbildung mitwirken. Wenn die beiden großen Parteien in großer Harmonie auf einen willensbildenden Wahlkampf verzichten, verfehlen sie ihren demokratischen Auftrag. Hattigs Offenheit legt somit offen, dass die große Koalition ein Problem für die demokratische Kultur in Bremen ist.
Klaus Wolschner