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Hartz-IV-Leistungen für KinderKritik an Reformplan für Regelsätze

Die Ansätze der Regierung zur Neugestaltung der Hartz-IV-Leistungen für Kinder stoßen auf Kritik. Der Wohlfahrtsverband befürchtet ein Millionenloch bei Hartz-IV-Hilfen.

Schweres Gepäck: Die Regierung muss Hartz-IV-Leistungen für Kinder neu gestalten. Bild: dpa

BERLIN taz | Auf scharfe Kritik stoßen die Ansätze der Bundesregierung zur Neugestaltung der Hartz-IV-Leistungen für Kinder. "Der Finanzminister scheint nicht willens, das Bundesverfassungsgerichtsurteil umzusetzen", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Die Etatplanungen des Ministeriums seien eine "Provokation".

Am Sonntag hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seinen Entwurf für die Haushalts- und Finanzplanung bis 2014 vorgestellt. Darin sind als "allgemeine Vorsorge für die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts" ab 2011 pro Jahr 480 Millionen Euro Mehrausgaben zur Bestreitung von Bildungsaufwendungen für Kinder von Hartz-IV-Beziehern vorgesehen. Bei derzeit rund 1,7 Millionen Kindern, auf die das zutrifft, würde jedes Kind rein rechnerisch monatlich 23 Euro mehr enthalten.

Nach Modellrechnungen des Paritätischen würden jedoch jährlich zusätzlich 1,5 Milliarden Euro benötigt, um das Existenzminimum von Kindern zu gewährleisten. Die Regelsätze, die derzeit je nach Alter eines Kindes oder Jugendlichen bei 215, 251 oder 287 Euro monatlich liegen, müssten laut Verband im Schnitt um rund 73 Euro steigen. Schneider betonte, allein 390 der 480 Millionen Euro im Jahr würden dafür benötigt, die Steigerung der Lebenshaltungskosten seit der letzten Regelsatzberechnung auszugleichen. Die übrigen 90 Millionen Euro müsse man zudem mit der im Sparpaket beschlossenen, kompletten Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher in Höhe von jährlich 400 Millionen Euro gegenrechnen. "Unter dem Strich bleiben also 310 Millionen Euro weniger für Hartz-IV-Bezieher übrig", kritisierte Ulrich Schneider.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) verteidigte am Montag den Etatentwurf. Die eingeplanten Mehrausgaben seien ein "großer Vertrauensvorschuss" bis zu einer endgültigen Neuberechnung der Regelsätze, die die Ministerin für den Herbst ankündigte. Von der Leyen betonte erneut, statt einer allgemeinen Regelsatzerhöhung wolle man für Kinder mehr Geld in Bildung investieren. Dazu zähle Förderunterricht in der Schule ebenso wie die Mitgliedschaft in Sportvereinen oder Musikschulen, erklärte die Ministerin.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom Februar moniert, dass die Hartz-IV-Regelsätze vor allem für Kinder willkürlich festgelegt würden und für Heranwachsende kein Geld für Bildung vorgesehen sei. EVA VÖLPEL

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10 Kommentare

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  • H
    HannaM.

    @ Oli:

     

    Doch es ist vernünftig: aus Sicht der Wohlfahrtsindustrie ... äh -verbände.

     

    Und es ist zutiefst christlich, schließlich sind die von der Leyens, Merkels, Göring-Eckhards, Wulffs, Gaucks, usw. Christen und meist Kinder von Christen.

    Was gemeinhin als christlich (auch bei anderen Kirchen) dargestellt wird, ist eine einzige, aber durchaus "gute" Marketingstrategie, die seit 2 Jahrtausenden funktioniert.

     

    @ Michel: Ich stimme Ihnen zutiefst zu!

  • M
    Michel

    Dieses Gerede, man müsse jetzt mehr Geld in die Bildung stecken ist auch der pure Hohn: so als wären alle Armen Menschen total verblödet und deswegen ohne Geldmittel (bei solcher Politik!!) und alle reichen Menschen hoch klug und deswegen reich! Was ist denn das für eine Milchmädchen-Rechnung!!?! Statt den Gatekeepern der Bildung noch mehr Bürokratie aufzulasten, mit der sie (die Klugen übrigens!) jetzt schon nicht mehr fertig werden, sollte man einfach mal dafür sorgen, dass Bildung öffentlicher wird, und nicht dafür, dass das noch bürokratischer halbprivat wird! Wenn da 400Millionen oder sonstwie viel für "Reformen" ausgegeben wird, dann fließt davon allein die Hälfte in Bürokratie! Was soll das? Und man muss auch mal über die Bildungsindustrie reden. Habt ihr euch mal in letzter Zeit Geschichts-Schullehrbücher angeschaut? Oder Biologie-Bücher? Das ist teilweise unfassbar, was da für ein Schmonz drin steht! Aber immerhin werden die Bücher immer bunter. Hat sich's ja gelohnt, das Mehrgeld für Bildung. Freut sich auch die Farbindustrie!

     

    Und "Mehr Bildung" ist auch die schlimmste Bildungsphilosophie, die man sich vorstellen kann. So als ob man einfach Schicht auf Schicht packen müsste, abgestempeltes Wissen auf abgestempeltes Wissen und dann wirds immer besser, höher, schneller, noch schneller, noch schneller, Boxenstop für eine Ritalin, weiter, weiter, weiter, weiter die Köpfe füllen, 30 Klausuren drüber schreiben, Ergebnisse in Akten packen und schon sind wir alle gebildet! Ja natürlich, genau so funktioniert das! Sicherlich! Hauptsache alles ist hübsch abgestempelt und veraktet. Denn ohne Stempel und Akte weiß ja schließlich niemand nix, nicht wahr!? Deswegen sind die armen Menschen ja auch so dumm, weil sie einfach zu wenige gebildet-Stempel haben und die falschen Stempel in zu vielen Akten voller Nicht-gebildet-Stempel! Und weil die reichen Menschen so viele tolle gebildet-Stempel haben auf so vielen tollen Papieren. Man stelle sich vor, diese Papiere würden alle gleichzeitig verbrennen: plötzlich wüssten wir nicht mehr (SO klug sind wir!) wer gebildet ist und wer nicht, weil wir nicht mehr wissen, wie man Bildung eines Menschen ohne Stempel erfassen kann. Und dabei schlummern in den Reihen der ärmeren Menschen ganze aus Not geborene Lebenskünste! Welche Lebenskünste haben die reicheren Menschen dagegen anzubieten???

     

    Und verdammt! nicht alle armen Menschen rauchen!!! Und Autoabgase sind mindestens so schädlich wie Zigarettenabgase! Und welche Menschen fahren exzessiv viel Auto? Wohl nicht die Armen? Wer fliegt exzessiv durch die Lüfte? Nicht die Armen!

  • Y
    YuriOh

    Es ist grässlich, wie ständig behauptet wird, alle ALG-II-Empfänger würden das Geld ihrer Kinder für Tabak, Alkohol und Drogen ausgeben. Ich bin seit dem Anfang ALG-II-Empfänger, aber weder trinke ich, noch rauche ich, noch nehme ich irgendwelche Drogen (meine Frau übrigens auch nicht). Desweiteren wird immer unterstellt, dass Kinder aus ALG-II-Familien dumm seien, auch das ist nicht der Fall, mein Sohn wechselt nun von der Grundschule auf ein Gymnasium. Er hat gute Noten und ist nicht dämlich, nur weil wir ALG-II beziehen. Außerdem: Wo bleibt die Gleichheit bei dieser komischen Förderung? Manche Kinder benötigen diese "Förderungen" nicht...

  • O
    Oli

    Am Besten wäre es wohl, dass allen Hartz-IV-Beziehern das Wahlrecht gestrichen wird. Darauf läuft es ja hinaus und ein Durchgebrannter aus der CDU hat diesen Vorschlag bereits gemacht.

    Aber im Ernst: Wie kann es angehen, dass Reiche Leute irgendwelche Leistungen kassieren und armen Menschen wird es gestrichen. Das Elterngeld ist doch gerade bei armen Familien wichtig: Kinder, die in Armut aufwachsen, haben so wenigstens im Kinderwagen ein wenig Ausgleich. Anti-Allergene Nahrung kostet z.B. ganz gut Kohle. Und Bio-Produkte auch - ich finde das zutiefst anti-christlich, nicht mehr zu teilen, sondern zu privilegieren. Anscheinend geht es darum, die Armen ärmer, die Reichen reicher zu machen. Dann steht jeden Tag in der Zeitung: Hier ist ein Problemviertel, dort sind Kinder arm, hier hauen Jugendliche zu ... Das ist ja offenbar so gewollt. Aber das ist nicht vernünftig.

  • H
    Hanna

    "Unter dem Strich bleiben also 310 Millionen Euro weniger für Hartz-IV-Bezieher übrig"

     

    Das ist zutreffend und zugleich zeigt es, dass diese Regierung nicht willens ist, ein Bundesverfassungsgerichtsurteil umzusetzen. Und damit nicht genug: Weitere Millionen sollen für Umschulungen, Weiterbildungen und 1-EURO-Jobs gespart werden. Anstatt also in die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen und Kinder zu investieren, soll in Wirklichkeit gekürzt werden. Wer betroffen ist, siehr schwarz (oder rot) und wer jetzt nicht betroffen, der könnte es bald sein. Diese Regierung ist einfach nicht sozial und gegen arme Menschen eingestellt.

    Das war die SPD zwar auch, aber bei dieser Regierung gibt es ein billiges Kalkül: Arbeitslose sollen per se die Zeche zahlen, sie sind die modernen Sündenböcke dieses Landes. Während aus der Steuerkasse 500.000 EURO an Bankmanager als Jahresgehalt fließen, wird armen Eltern das Elterngeld (max. 3600 EURO) einfach gestrichen. Ein Millionär oder leitender Angestellte wird es weiterhin erhalten, ob er es braucht oder nicht. Er kann das einfach als eine Art Geschenk betrachten.

    Mich wundert, dass die Menschen sich diese brutale Aussortierung wirklich bieten lassen, anscheinend fehlt vielen Menschen schlicht der Mut.

    Bei den Leistungen für Kinder geht es darum, dass bis zum nächsten Urteil ein paar Jahre vergehen und irgendwann brauchen wir dann auch nicht mehr Karlsruhe, Demokratie und diese ganze Legalität, dann gilt das Recht des Stärkeren.

  • U
    Ulf

    Wie soll das in der Praxis aussehen? Gutscheine für Sportvereine, Förderunterricht ( ist der etwa kostenpflichtig geworden? ), Schulbücher gibt es doch schon umsonst. Was kostet dieser ganze Verwaltungsaufwand, wer entscheidet über Fördermöglichkeiten? Ich glaube, Uschi bindet diesen Menschen, bzw. den Kindern einen gewaltigen Bären auf. Abtreten bitte!

  • RK
    Reform keine Spur

    Ich bezweifel, dass für die Kinder die vollen 215 bzw. 287 Euro pro Monat überhaupt ausgegeben werden. Ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass zigarettenabhängige Eltern einen Teil ihrer Sucht auch von dem Geld finanzieren, das für ihre Kinder vorgesehen ist. Mit der Streichung des Elterngeldes für Hartz-4-Bezieher wird diesen Eltern noch mehr Geld fehlen, das sie sich aus der Kasse für die Kinder nehmen. Die betroffenen Kinder werden früh selbst die besten Kunden der Zigarettenindustrie. Zum einen wachsen sie im Zigarettenqualm auf, zum anderen fehlt es ihnen aufgrund der finanziellen Notlage an Bildung, wie vom Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde.

     

    Die Zahlen und Maßnahmen, die von der Bundesregierung präsentiert werden, machen eins ganz klar. Es geht um die Etablierung des status quo. Dafür spricht auch, dass wir seit 3 Jahrzehnten Massenarbeitslosigkeit in Deutschland haben und keine Änderung in Sicht ist.

  • E
    Edelweiss

    Fauler Zauber!

     

    Zuerst gibt es ein Sparpaket für die Armen, sie müssen für das Griechenland-Desaster bezahlen, dann wird ihnen ein bischen gegeben.

  • V
    vic

    Meines Erachtens sollte mit Haftstrafe nicht unter einen Jahr geahndet werden, Kürzungen künftig auch nur noch einmal Reform zu nennen.

    Meinetwegen nennt es "armutsichernde Maßnahme", aber bitte nicht Reform, zum Henker.

  • H
    hl.Pius-X

    Unser Wohlstand ist seit rund drei Jahrzehnten fast nur noch mit Geld aus dem Nichts, Papiergeld ohne

    Deckung, dem „Fiat Money“, erkauft.Ein Zusammenbruch ist unausweichlich.

    Wir haben in Deutschl. keine absolute Armut . Für das Lebensnötige ist mehr als gesorgt.Unsere Armut beklagt sich in der eingeschränkten gesellschaftlichen Teilhabe, was nichts anderes als Begierlichkeiten sind.