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Harrison Fords deutsche StimmeStimme tiefer, Füße kleiner

Wolfgang Pampel, die Synchronstimme von Harrison Ford, geht mit dem Autor Tex Rubinovitz baden. Ein Gespräch über Klaus Kinski, Harrison Ford und einen harten Job.

Wolfgang Pampel alias Harrison Ford am Altausseersee. Bild: Tex Rubinovitz

Vor etwa 20 Jahren passierte etwas sehr eigenartiges, zauberhaftes, fast ein Mirakel. Immer wieder gibt es ja diese magischen Theaterabende, Inszenierungen, die die Besucher begeistern, in ihren Bann ziehen, Staunen machen, oder zum Zorn reizen. Und dann gibt es solche, die nur von den Wenigsten gesehen werden, aber von denen jeder spricht, so war das beim ersten Konzert der Sex Pistols, in einem kleinen Club in London, bei dem später jeder dabei gewesen sein will.

Als im Kellertheater des Konzerthauses am Heumarkt die Saallichter ausgingen, und zwei Herren mit Allongeperücken die Bühne betraten, konnten die 99 Zuschauer noch nicht wissen, dass sie Zeugen eines solchen Ereignisses werden würden. Das Stück hatte den klorollenlangen Titel "Dr Samuel Johnsons und James Boswells Reise durch die DDR im Jahre 1947, dem Jahr der großen Derbrüsslerplage".

Was gesittet als Paraphrase auf eine ähnliche Reise des englischen Lexikografen und seines schottischen Biografen 1775 zu den Hebriden begann, endete an diesem Abend in einer heillosen Hysterie, in deren Verlauf eine mannsgroße Thüringer Rostbratwurst in beider Zugabteil erschien, die Boswell erschießen musste, und man statt des Rübenschädlings (Derb-Rüssler) nur eine riesige Staublaus fand, die merkwürdige Knackgeräusche von sich gab, während sich das ekstatische Publikum einer Massenpaarung hingab. Die beiden Gelehrten wurden gegeben von Franz Suhrada, bekannt als der Polizist aus Kottan, und Wolfgang Pampel als Dr. Samuel Johnson.

Aus der DDR geflohen

Wolfgang Pampel stammt aus Leipzig, ist aus der DDR geflohen, und lebt seit bald dreißig Jahren in Wien, jetzt jedoch mehr und mehr in Altaussee, in dem ich mit ihm schwimmen gehe. Jeder kennt Pampels Stimme, denn es ist die deutsche von Larry Hagman (John Ross "J.R." Ewing aus der Fernsehserie Dallas, 357 Folgen) und Harrison Ford ("Indiana Jones").

Pampel ist in der Riege der Synchronstimmen eine der angenehmsten (aktuell in "Cowboys & Aliens"), er zerkaut seine Rollen nicht so manieriert wie Christian Brückner (Robert De Niro) oder Rolf Schult (Anthony Hopkins), er synchronisiert sich auch nicht "wund", wie Thomas Danneberg (Schwarzenegger, Travolta, Stallone).

Pampel erzählt im Wasser, als ich ihn frage, ob er selbst auch schon mal synchronisiert wurde, eine Geschichte, die mich fast in Seenot bringt vor Lachen, er hätte mit Klaus Kinski in Hongkong in einem Film namens "Die Wildgänse kommen" gespielt. Ich dachte immer das sei ein Zweiter-Weltkriegs-Film, frage, ob der Krieg in die Verlängerung gegangen ist, gabs einen Nebenschauplatz? Pampel korrigiert mich, ich würde ihn verwechseln mit "Steiner, das Eiserne Kreuz", der Film, den ich eigentlich meine, sei jedoch ein Söldnerfilm aus Afrika ("50 stahlharte Söldner, sie fliegen wie die Vögel, sie kämpfen wie Schakale – Töten ist ihr Geschäft.").

Trauriger Kinski im See

Fairerweise muss ich sagen, dass auch er sich irrte, wie ich später herausfand, seiner hieß in Wirklichkeit "Geheimcode Wildgänse", ein italienischer Drogenfilm ("Fünf Männer und eine Frau in der Hölle des goldenen Dreiecks. Das letzte große Abenteuer, das Männer je gewagt haben") mit Ernest Borgnine und Lee van Cleef, und über der Szene mit Kinski knatterte die ganze Zeit ein Helikopter. Kinski, vor dessen Stimmungen am Set alle Angst hatten, klagte seinem Gegenüber weinerlich: "Ich verstehe Sie so schlecht", worauf Pampel entwaffnend konterte: "Ich verstehe Sie auch sehr schlecht". Aber das war egal, weil sie ja sowieso synchronisiert wurden, aber ich musste da so lachen, wie er bzw. Harrison Ford den traurigen Kinski mitten im See nachmachte. Noch dazu ist der Altausseersee momentan nahe am Umkippen, brühwarm, alles voller Algen, und am Ufer stand ein Brachvogel.

Ich frage Pampel, der jetzt hier im Wasser mit mir leicht sächselt, ob er nicht mal Lust hätte, einen ganzen Fordfilm zu versächseln? "Ja, sicher, gerne", aber das nur, wenn Ford aufgäbe zu spielen, beim Film "Airforce One" fand er sogar, dass Ford ein exzellenter Präsident nicht nur verkörpern, sondern auch sein könnte. Wie reizvoll, ein US-Präsident Harrison Ford trifft die ostdeutsche Kanzlerin Angela Merkel und Wolfgang Pampel ist Dolmetscher wenn es zum Staatsbesuch kommt.

Nicht schön sind die Arbeitsbedingungen beim Synchronisieren: Pampel spricht jeden Take alleine, und alles im Bild bis auf seine zu synchronisierende Figur ist geschwärzt. Man will so vermeiden, dass er Kopien filmt. Was für eine absurde Vorstellung: "Bekannte Synchronstimme beim Raubkopieren eines Hollywoodfilms erwischt, er sagt, der Film hätte ihm seine Seele gestohlen".

Kürzlich musste er Han Solo, seine Rolle in niemals gezeigten Teilen der Krieg der Sterne-Trilogie für eine DVD Edition nachsynchronisieren, er war verblüfft, wie rasant er und auch Harrison Ford damals (1976) sprachen, und wie hoch. Im Alter wird die Sprache tiefer und langsamer, gute Nachricht für piepsende Hektiker. Als wir aus dem Wasser steigen, ist der Brachvogel verschwunden, und mir fallen Pampels Füße auf, eher seine Zehen, das ist wunderbar, sie sind ganz klein, wie die von Kindern, an einem ansonsten normalgroßen Fuß. Stimme tiefer, Füße kleiner.

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