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Archiv-Artikel

Harmonie und Kompromiss

Der Krieg als strittigstes Thema bleibt auf dem EU-Finanzministertreffen außen vor. Es geht um Duisenberg-Nachfolge, Energiesteuern und Abstimmungsregeln

BRÜSSEL taz ■ Beim heutigen Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister in Brüssel stehen die wirklich drängenden Themen gar nicht auf der Tagesordnung. Wie teuer wird der Irakkrieg – und was bedeutet er für die Eurozone? Das ist die Frage, die in den Sitzungspausen sicher am meisten diskutiert wird, ohne dass jemand ein Rezept für realistische Berechnungen in der Schublade hätte. Dass im Kriegsfall der Stabilitätspakt ausgesetzt werden könnte, will niemand bestätigen, es wird aber laut darüber nachgedacht.

Für Gesprächsstoff sorgt auch die Personallage, denn Wim Duisenberg, der Chef der Europäischen Zentralbank, muss seinen Platz auf französisches Drängen hin Mitte des Jahres räumen. Beim EU-Gipfel 1998 zum Start der Einheitswährung hatte Frankreichs Regierungschef Jacques Chirac ausgehandelt, dass der Niederländer zur Hälfte seiner Amtszeit „aus persönlichen Gründen“ zurücktreten soll, um Platz für einen französischen Kandidaten zu machen.

Der französische Notenbankchef Jean-Claude Trichet gilt als Thronfolger. Als Frankreich den Personaldeal vereinbarte, hatte der ehemalige Direktor im Finanzministerium noch keinen Ärger mit der Justiz. Seit Trichet angeklagt ist, irreführende Bilanzen der französischen Staatsbank Crédit Lyonnais verbreitet zu haben, sieht das ganz anders aus. Ein Richterspruch wird – nach mehreren Verschiebungen – nun für den 18. Juni erwartet, drei Wochen vor Duisenbergs Amtsende. Sollte Trichet schuldig gesprochen werden, haben die Franzosen ein Problem. Es dürfte ihnen schwer fallen, einen anderen Kandidaten aus dem Hut zu ziehen.

Immerhin scheint eine politische Einigung bei den Mindeststeuern für Energie in greifbare Nähe gerückt. Deutsche Diplomaten schätzen die Chancen, nachdem beim letzten Treffen ein Durchbruch bei der Zinsbesteuerung erreicht werden konnte, auf „siebzig zu dreißig“. Die griechische Präsidentschaft schlägt vor, dass die Mitgliedsstaaten sich verpflichten, mindestens 30 Cent pro Liter Diesel zu erheben, ab 2010 mindestens 33 Cent. Sonderbedingungen für den Güterverkehr sollen abgeschafft werden. Nur Frankreich und Italien verlangen eine Übergangsfrist. Für Strom und Gas wollen sich die Minister ebenfalls auf einen Mindeststeuersatz einigen.

Auch die neuen Abstimmungsregeln, die der Zentralbankrat nach der Erweiterung der Eurozone einführen will, haben gute Chancen, von den Finanzministern akzeptiert zu werden. Wie jeder erfolgreiche Kompromiss in der Union sind sie so kompliziert formuliert, dass eine dicke Gebrauchsanweisung nötig ist. Derzeit hat neben Duisenberg und seinen 5 Direktoriumsmitgliedern jeder der 12 nationalen Notenbankchefs der Eurozone Sitz und Stimme im Rat der EZB. Für die Zukunft soll die Zahl der Sitze auf maximal 21 begrenzt werden.

Sobald 4 weitere Mitglieder zur Eurozone stoßen würden, träte ein kompliziertes Rotationsmodell in Kraft: Die Länder werden dann nach ihrer Größe und Wirtschaftskraft in drei Gruppen sortiert. Jede Gruppe erhält eine bestimmte Anzahl von Sitzen, für die 5 stärksten Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande sind 4 Sitze vorgesehen. Die nehmen dadurch an 80 Prozent der Sitzungen teil, während die kleinen wirtschaftsschwachen Länder wesentlich seltener an die Reihe kommen.

Auf dem Wirtschaftsgipfel im März in Brüssel soll die endgültige Entscheidung fallen. Danach müssen die nationalen Parlamente den Kompromiss absegnen. Finnland hat bereits Protest angemeldet, weil die kleinen Ländern nur noch bei 40 Prozent der Sitzungen Sitz und Stimme haben sollen. Andererseits hat niemand eine bessere Idee, wie das Gremium nach der EU-Erweiterung übersichtlich bleiben soll. Deshalb gilt der komplizierte Kompromiss für die EZB unter Diplomaten als mögliches Modell für andere Gremien der Europäischen Union.

DANIELA WEINGÄRTNER