Harald Schmidt ist zurück: Mein Schnösel-Block
Die Sommerpause ist für Harald Schmidt vorbei und Pocher weg. Jetzt muss der Meister nur noch seinen Ehrgeiz ein wenig zügeln und seinen Mitarbeitern mehr Luft lassen.
Doch, ja, Harald Schmidt kann es noch. Aber kann man ihm schon wieder trauen? Will er es wirklich ernsthaft nochmal versuchen? Können wir all die Enttäuschungen vergessen? Die Sportstammtische mit Waldemar Hartmann? Die verunglückte Affäre mit Oliver Pocher? Die zur Schau gestellte Lustlosigkeit?
Mit Schmidt und seinen Zuschauern ist das wie in einer alten Ehe, und man muss leider sagen, dass diese Ehe in den letzten Jahren nicht besonders glücklich verlaufen ist. Der brillante, witzige Harald Schmidt, dem man damals, vor vielen Jahren, ewige Treue an der Fernbedienung geschworen hatte, war zuletzt immer launischer geworden, schaute nur noch unregelmäßig vorbei und strengte sich bei seinen sporadischen Besuchen immer weniger an, geistreich oder auch nur unterhaltsam zu sein. Jetzt will er uns nochmal erobern.
Und er gibt sich alle Mühe. Hat sich extra wieder einen Bart stehen lassen, damit man rätseln kann, warum. Hat kein einziges Thema des Sommers ausgelassen: Wahlkampf, TV-Duell, Afghanistan, Schweinegrippe, Althaus, sogar für einen kleinen Propofol-Gag im Gedenken an Michael Jackson war er sich nicht zu schade. Und das alles, um uns zu gefallen. So haben wir ihn lange nicht mehr erlebt. Das neue Format steht ihm gut.
Diese Rezension ist der aktuellen sonntaz vom 19./20.9.2009 entnommen – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk.
Wie schon das ZDF mit seiner auf ganzer Linie missratenen "heute-Show" versucht seit Donnerstag auch Harald Schmidt sich an einer Eindeutschung der US-amerikanischen "Daily Show" mit Jon Stewart. Ihm ist, wie zu erwarten war, mehr gelungen als nur eine tumbe Kopie. Der Eröffnungsmonolog ist jetzt unterbrochen von Einspielfilmen, und wenn Schmidt gut drauf ist und die Einspieler zünden, dann kann das funktionieren. So wie der Zusammenschnitt des TV-Dreikampfes von Westerwelle, Trittin und Lafontaine - das hatte schon stewartsche Qualitäten.
Auch das Team von "Korrespondenten" und "Experten" hat sich Schmidt bei Stewart abgeschaut. Stewart nimmt sich bei den Auftritten der Korrespondenten auch mal zurück und überlässt die Gags den anderen. Nicht so Schmidt. Er traut seinen Bühnenpartnern nicht, schon gar nicht bei der ersten gemeinsamen Sendung. Seine wunderbare Scholl-Latour-Parodie zum Beispiel hätte bestens auch ohne Katrin Bauerfeind funktioniert, ebenso das Gespräch über Kinofilme: Bauerfeind durfte nur Stichworte geben und adrett im Bild sitzen.
Man kennt das von Harald Schmidt. Aber es war doch anders. Diesmal hatte man nicht den Eindruck, Schmidt sabotiere seine Mitstreiter aus Langeweile oder purer Lust an der Gemeinheit, so wie er das bei Feuerstein, Andrack oder Pocher so oft getan hat. Nein, diesmal war Schmidt übermotiviert. Er wollte unbedingt gut sein. Da macht er lieber alles selbst. Jan Böhmermanns Film über seinen Undercover-Einsatz als Schweinegrippe-Patient in den ProSieben/Sat.1-Nachrichten konnte dann auch nur deshalb gelingen, weil er nicht gegen den Chef anspielen musste. Dabei kann man nur verlieren.
Entweder man kommt, wie Bauerfeind, kaum zu Wort. Oder man darf nur ein vorher abgesegnetes Programm abspulen. Denn was auf der Bühne geschieht, lässt Schmidt offenbar so lange einstudieren, bis der Meister zufrieden und jede Spontaneität verloren gegangen ist. Wie zum Beispiel im neu eingeführten Schnösel-Block, dem Kontrastprogramm zur Pocherschen Schenkelklopferei, mit dem Schmidt sich offenbar wieder für seine alte Rolle als Chef-Intellektueller des deutschen Fernsehens empfehlen möchte.
Zu diesem Zweck hat er sich, nur keine Experimente, den Schauspieler Christian Brey aus seiner Heimatbasis Stuttgart eingeladen, mit dem er ein offenbar vom ersten bis zum letzten Wort penibel auswendig gelerntes satirisches Kulturfachgespräch führt. Die beiden hatten ihren Text so gut studiert, dass sie ihn im Affenzahn herunterrasselten. Namedropping im Sekundentakt. Im Studiopublikum wurde es ganz still dabei.
Auch die "Live-Schalte" zum FAS-Journalisten Peter Richter war eher bemüht als geistreich. Dass Schmidt sich Richter ins Team geholt hat, lässt sich wohl nur so erklären: Er will das Feuilleton verwirren. Er will sich daran ergötzen, wie die Schreiber über ihren Kollegen herfallen. Geschenkt. Nach Richters Zuschaltung durfte dann schnell nochmal Katrin Bauerfeind mit einer ebenso auswendig gelernten Kunstsatire in Hochgeschwindigkeit über die Bühne hetzen. Atemlos wirkt diese erste Ausgabe, als wolle Schmidt in einer Sendung alles nachholen, was er in den letzten Jahren versäumt hat: Politik, Kultur, Anspruch.
Da war der Gast Wolfgang Grupp, Inhaber des Trigema-Affens, eine wahre Erholung. Grupp entschleunigte die Sendung, auch Schmidt entspannte sich. Die Sendung war da ja schon fast geschafft, und Grupp - keine Experimente! - ein Landsmann aus dem Schwabenland. Die beiden verstanden sich so gut, dass Grupp Schmidt am Ende einen Platz in seiner Familiengruft anbot.
Gehört Schmidt jetzt also wieder zur Familie? Darf er wieder dauerhaft auf unserem Bildschirm wohnen? Seien wir hoffnungsvoll. Hoffen wir, dass er sich etwas beruhigt. Hoffen wir, dass sich sein Team noch entwickelt. Hoffen wir, dass ihm nicht in drei Monaten schon wieder alles scheißegal ist. Denn eines ist ja klar: Mit ihm geht es auf die Dauer nicht. Aber ohne ihn noch viel weniger.
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