Hansaplatz-Kneipe: Fehl am Platz
Der Hansaplatz soll belebt sein, da passen nicht alle Kneipen ins Bild, findet der Bezirk Mitte und verweigert dem "Hansa-Treff" die Außenbewirtschaftung.
"Stoppt die Ausländerdiskriminierung am Hansaplatz", steht auf einem der Schilder, die Gastwirt Mehmet Simsit an den Fenstern des "Hansa-Treffs" am Hansaplatz 6 angebracht hat. Es ist 18 Uhr und der Laden ist gut gefüllt. "Wir haben hier ein gemischtes Publikum", sagt Simsit. Längst stehen die Sonnenschirme parat. Doch das Bezirksamt Mitte hat Simsit für seinen Plan einer Sommerterrasse eine Absage erteilt.
Seit 39 Jahren, die er nun in Hamburg lebt, sei das das erste Mal, dass er sich wegen seiner türkischen Herkunft diskriminiert fühle, sagt Simsit. Anderen ausländischen Ladenbetreibern wurden die Mietverträge nicht verlängert. "Doch bei mir kommen sie damit nicht durch, weil mein Vermieter mein Landsmann ist und zu mir hält", so der Gastwirt. "Und weil die mich nicht wegbekommen, schikanieren sie mich nun so."
Eigentlich ist eine Belebung des neu gestalteten und verkehrsberuhigten Hansaplatzes durch Außengastronomie vom Bezirk ausdrücklich erwünscht. Im rasanten Aufwertungsprozess des hinter dem Bahnhof gelegenen Viertels passen für den Bezirk aber offenbar nicht alle Bewohner, Gewerbetreibende und Besucher des Viertels gleichermaßen ins gewünschte Straßenbild.
Der Platz im Herzen des Stadtteils St. Georg galt lange als zentraler Drogenumschlagsort. Im Zuge der über zwei Millionen Euro teuren Umgestaltung soll sich vieles ändern.
In einem Konzept legt das Amt für Gebietsentwicklung fest, was auf dem Platz passieren darf.
Im Juli hatten die Pläne von Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD), den Straßenstrich aus St. Georg nach Rothenburgsort zu verlegen, aber auch die Sperrgebietsverordnung und die Einrichtung eines polizeilichen Gefahrengebiets, für Proteste gesorgt.
Den Antrag auf Sondernutzung öffentlicher Wegeflächen hatten die Betreiber des Hansa-Treffs bereits Anfang April gestellt.
Um der Kriminalität entgegenzuwirken, sind ihre Räume kameraüberwacht.
"Es gibt keinen Anspruch auf die Erlaubnis, öffentliche Wege für den Außenausschank zu nutzen", begründet der Pressesprecher des Bezirksamts Mitte, Lars Schmidt-von Koss die Entscheidung. Es habe beim Hansa-Treff schon in den Innenräumen einige Beschwerden der Anwohner wegen Lärmbelästigung gegeben. Und wenn die Betreiber sich schon drinnen nicht an Auflagen halten, müsse man natürlich zweimal überlegen, ob der Betrieb einer Sommerterrasse genehmigt werden kann, so Schmidt-von Koss. "Außerdem wissen wir von der Polizei, dass sich in den Räumen Milieu-bekannte Personen aufhalten."
Die Begründung, es sei wegen Lärm zu Beschwerden der Anwohner gekommen, hält Simsits Anwalt, Axel Max, für ziemlich dünn. Es sei kein konkreter Vorfall zur Begründung angeführt worden. Der Anwalt glaubt, dass man die Kneipe seines Mandanten loswerden und ihm wirtschaftlich schaden wolle.
Gerade im Vorzeigehaus der Gentrifizierung am Hansaplatz 6 spitzt sich der Konflikt um die Nutzung des Platzes zu. Die Bewohner haben an ihrer Haustür ein Schild angebracht, mit dem Hinweis, dass Aufenthalt und Alkoholkonsum im Eingangsbereich nicht gestattet seien. Simsit sagt, dass Anwohner von ihm gefordert hätten, Transsexuellen ein Hausverbot zu erteilen und es sei ihm vorgeworfen worden, dass sich um den Hansa-Treff Alkoholiker versammeln würden. "Aber es ist doch diskriminierend, die Leute, die hier überall sind, rauszuschmeißen, wenn die sich anständig benehmen."
Der Protest des Kneipenwirts kommt bei vielen Passanten gut an. "Manche kommen extra wegen der Schilder in den Laden", sagt Simsit. Die Aufwertungsbestrebungen am Hansaplatz stoßen bei ihm auf Unverständnis. "Wenn die Leute es ruhig haben wollen wie in Blankenese, dann müssen sie nach Blankenese ziehen." Wer dagegen nach St. Georg komme, der wisse doch, wo er hinzieht. Es könne doch nicht sein, dass man Wohnungen erst günstig kauft und dann Schickimicki haben will.
Gegen den Ablehnungsbescheid des Bezirksamts Mitte will Anwalt Max nun erst einmal Widerspruch einlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind