Hannovers OB Stephan Weil zur Umweltzone: "Es nervt wirklich sehr"

Hannovers OB Stephan Weil (SPD) ist verärgert über Umweltminister Sander (FDP), weil der wieder mehr Autos in die Umweltzone lassen will. In den nächsten Tagen entscheidet das Verwaltungsgericht.

Bild: dpa

taz: Herr Weil, die Umweltzone in Hannover…

Stephan Weil: … ist ein sehr schönes Thema.

Finden Sie?

Ganz und gar nicht. Es nervt wirklich sehr.

Was halten Sie von dem Vorgehen von Umweltminister Sander, die Verantwortung für die Umweltzone erst auf die Kommunen zu übertragen und sich dann doch einzumischen?

Das Ganze ist in mehrfacher Hinsicht nicht akzeptabel. Ursprünglich war es eine Landesaufgabe und auch unter der Federführung des Umweltministeriums. Dann stellte man fest, dass es ein sehr strittiges Thema ist und hat es lieber an die Kommunen in Niedersachsen übertragen. Und jetzt, zweieinhalb Jahre nachdem alles gelaufen ist, kommt der Umweltminister auf die Idee, dass er das nicht richtig findet und stützt sich dabei auch noch auf ein altes, nicht auf Hannover passendes Gutachten.

Es ist gar nicht so, dass durch die Filter, die Dieselfahrzeuge jetzt für die Umweltzone einbauen müssten, das Stickstoffproblem verschlimmert würde?

Nein, Herr Sander beruft sich auf ein Gutachten, das 13 Jahre alt ist und sich auf Busse bezieht. Es gibt mittlerweile natürlich eine ganz andere Generation von Filtern. Das Verwaltungsgericht Hannover hat sich im vergangenen Jahr ausgiebig mit dieser Argumentation beschäftigt und gesagt, dass die Stadt sich richtig verhält. Umso weniger ist es zu verstehen, dass Herr Sander diese Ergebnisse einfach nicht zur Kenntnis nehmen will.

Wie reagieren denn die Bürger Hannovers auf dieses Hin und Her?

Es gibt Tausende, die auf den Beschluss des Rates reagiert und ihre Fahrzeuge umgerüstet oder neue Fahrzeuge gekauft haben. Die müssen sich jetzt wirklich veräppelt fühlen. Herr Sander leistet hier wirklich einen sehr großen Beitrag zur Politikverdrossenheit. Die Bürger schreiben viele Briefe und sind wütend. Dabei macht es auch nicht den großen Unterschied für sie, ob Rathaus oder Umweltministerium der richtige Adressat wäre. Nur ich kann es leider nicht ändern, weil Herr Sander diese Sache jetzt an sich gezogen hat.

Der SPD-Politiker ist seit 2006 Oberbürgermeister von Hannover. Zuvor arbeitete der Jurist im Justizministerium.

Umweltzonen sind innerstädtische Bereiche, in denen Autos, die bestimmte Abgaswerte überschreiten, verboten sind.

2007 delegierte Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) die Zuständigkeit für die Luftreinhaltepläne an die Kommunen.

2008 führte Hannover als erste norddeutsche Stadt eine Umweltzone ein.

Seit Januar 2009 dürfen Fahrzeuge mit roten Plaketten nicht mehr in der Umweltzone fahren.

Seit Januar 2010 müssen auch Autos mit gelber Plakette draußen bleiben - nur grün ist erlaubt.

Mitte Januar hat Sander die Stadt Hannover per Erlass aufgefordert, Dieselfahrzeuge mit gelber Plakette wieder in die Umweltzone zu lassen.

Gegen Sanders Erlass ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Sollte das Gericht sie abweisen, ist Hannover gezwungen, den Erlass des Ministers umzusetzen.

Vor dem Verwaltungsgericht wird gerade von zwei Bürgern geklagt.

Ja, hier geht es darum, dass das Umweltministerium bei seiner Entscheidung eine im Gesetz vorgesehene Beteiligung der Öffentlichkeit bei solchen Plänen kurzerhand für unverhältnismäßig erklärt hat. Deswegen sind wir sehr gespannt, wie der Antrag von zwei Bürgern auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom Verwaltungsgericht entschieden werden wird. Das Umweltministerium hat insoweit reagiert, als dass es gesagt hat, vor dieser Entscheidung müssen wir den Erlass nicht umsetzen.

Das heißt, es geht in diesem Verfahren jetzt darum, ob sich die Öffentlichkeit hätte beteiligen dürfen…

… ob sie nicht beteiligt werden muss! Das ist nämlich eigentlich zwingend vorgesehen und ich bin angewiesen worden, ohne eine erneute Anhörung der Öffentlichkeit den hannoverschen Luftreinhalteplan zu ändern - was ich äußerst ungern tun würde. Deswegen bin ich jetzt in der merkwürdigen Situation, dass sich zwar der Antrag auf Erlass der Einstweiligen Verfügung formell gegen mich richtet, ich aber durchaus mit dieser Klage sympathisiere.

Angenommen, das Gericht würde dem Umweltministerium recht geben. Hätten Sie noch Möglichkeiten sich gegen Sanders Beschluss zu wehren?

Nein, leider nicht. Die Kommunen sind hier der verlängerte Arm des Landes und müssen tun, was das Land will. In diesem Fall würden wir das jedoch ausgesprochen ungern tun.

Ist es nicht eigentlich sehr verwunderlich, dass gerade das Umweltministerium die Umweltzonen wieder abschwächen will?

Ja, der niedersächsische Umweltminister ist auch mit dieser Haltung allein auf weiter Flur. Herr Sander ist da ein wenig isoliert.

Und wird dennoch unterstützt von Ministerpräsident Wulff.

Das habe ich auch mit Bedauern zur Kenntnis genommen.

Sehen Sie in Sanders Handeln auch eine Demonstration von Macht?

Das wird man wohl so sehen können.

Haben Sie denn Kontakt zu Sander gesucht?

Er hat klipp und klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er nicht die Absicht hat, auf hannoversche Bedenken einzugehen. Deswegen habe ich das nicht gemacht und warte erst mal ab.

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