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Hannoveraner TatortHurra, es funktioniert!

Der NDR macht mal wieder aus dem „Tatort“ ein Event. Die Doppelfolge mit Kommissarin Lindholm ist tatsächlich über weite Strecken spannend.

Wer suchet, der findet. Wenn auch erst im zweiten „Tatort“-Teil mit Maria Furtwängler. Bild: NDR/Gordon Muehle

Ein „Tatort“ darf ja mittlerweile nicht einfach nur ein „Tatort“ sein, in dem etwa eine Leiche angespült wird und folglich der oder die ErmittlerIn einen komplizierten Fall lösen muss. Nein, so ein Krimi am Sonntagabend, der muss mehr liefern. Schließlich schaut im Durchschnitt jeder Zehnte in Deutschland zu. Es muss also ein Event sein – da scheinen sich die Verantwortlichen beim Ersten und bei den Landesrundfunkanstalten einig.

Also wird sonntags ab 20.15 Uhr entweder das große Gesellschaftsdrama, gern eingebettet in eine Themenwoche, aufgeführt, bei dem der Zuschauer dann aber auch so richtig mitfühlen muss mit den Tätern, die es schließlich auch nicht leicht haben. Oder – ganz schlimm – zwei Ermittlerduos aus verschiedenen Städten werden zusammengeführt, aus zumeist hanebüchenen Gründen.

Wie an Ostern gesehen, als sich Leipziger und Kölner Kommissare in der ersten „Tatort“-Doppelfolge trafen. Oder der Fall wird erst im Internet aufgelöst, wie dereinst bei der Entführung von Lena Odenthal in Ludwigshafen (nur schlecht, wenn der gezeigte Krimi so langweilig ist, dass einen die Ermittlung des Mörders überhaupt nicht mehr interessiert). Oder es wird Til Schweiger engagiert.

Fast so beliebt wie das Münsteraner Duo

Nun wagt sich eben dieser Wir-haben-Til-Schweiger-Sender, der Norddeutsche Rundfunk (NDR), mal wieder an einen Zweifolgen-„Tatort“, diesmal mit der Hannoveraner LKA-Ermittlerin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler). Furtwängler als Kommissarin Lindholm ist nach dem Münsteraner Duo Thiel/Boerne (Axel Prahl und Jan-Josef Liefers) die beliebteste „Tatort“-Ermittlerin im Lande. Durchschnittlich 9,5 Millionen Menschen beobachteten sie in den vergangenen zwei Jahren bei ihrer Polizeiarbeit.

Deswegen vertrauen NDR und Das Erste wohl darauf, dass die Zuschauer auch an zwei Adventssonntagen in Folge von ihr so fasziniert sind, dass sie dran bleiben. 180 Minuten Tatort in „Wegwerfmädchen“ (diesen Sonntag) und „Das goldene Band“ (eine Woche später).

Bild: taz

sonntaz

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Die meisten dieser Event-„Tatorte“ kranken daran, dass sie zwar auf einer womöglich geistreichen Idee basieren, dann aber doch halbherzig umgesetzt werden. Die Krimis sollen sowohl bei jenem Publikum ankommen, das sich lediglich 90 Minuten lang berieseln lassen will, als auch unheimlich innovativ sein. Heraus kommt dann zumeist: nichts.

So konnte die Ankündigung des NDR, beide Folgen könnten auch „je für sich stehen“, eigentlich nichts Gutes bedeuten. Doch Stefan Dähnert (Buch) und Franziska Meletzky (Regie) ist es diesmal über weite Strecken gelungen, spannend zu unterhalten.

Nur eine von ihnen wacht auf

Es beginnt mit einer dekadenten Feier mit fremden Männern und zwei Mädchen. Beide liegen am nächsten Morgen, blutend und übersät mit blauen Flecken, auf einer Müllkippe. Nur eine von ihnen wacht wieder auf. Die Spuren führen zu einem Bordell am Steintor, geführt vom Chef eines Motorradclubs.

Und alle aus Hannovers Schickeria sind in den Fall um Mädchenhandel und Zwangsprostitution verwickelt: ein Oberarzt, ein Mitarbeiter aus dem Innenministerium, ein Staats-, ein Rechtsanwalt und ein Geschäftsmann, der durch den Aufkauf von Sozialwohnungen sein Geld macht und will, dass die private Altersvorsorge endlich ausschließlich privatwirtschaftlich organisiert wird.

Die Parallelen zur real existierenden niedersächsischen Oberklasse um den früheren AWD-Chef Carsten Maschmeyer, Kanzler a. D. Gerhard Schröder und Rechtsanwalt Götz von Fromberg mit seinen Verbindungen zum früheren Hells-Angels-Chef Frank Hanebuth sind offensichtlich.

Glaubwürdige Figuren

Dabei wirken die Figuren nicht wie plumpe Abziehbilder. Sie bleiben glaubwürdig an der Grenze zwischen der Arbeit im Dunkelgraubereich und der Suche nach öffentlichem Ruhm.

Und obwohl die Kronzeugin, das weggeworfene Mädchen Larissa, längst verschwunden ist, kann die Polizei am Ende des ersten Teils einen Täter präsentieren. „Wir haben den Mörder, Frau Lindholm“, herrscht der Staatsanwalt die Kommissarin gleich zwei Mal an, damit auch sie begreift: Das System kapituliert. Das Böse siegt. Das Geld siegt.

Die erste Folge funktioniert tatsächlich ohne die zweite, lässt den Zuschauer aber mit dieser bitteren Erkenntnis allein.

Doppel-"Tatort" aus Hannover: „Wegwerfmädchen“ (So., 20.15 Uhr, ARD) und „Das goldene Band“ (16. 12., 20.15 Uhr, ARD)

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5 Kommentare

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  • H
    Harald

    Habe wegen der Story eingeschaltet. Den Finger am OFF Schalter. Und siehe da, eine, für die seit Jahren herrschenden "Tatort" Depri-Sozialoperetten, beachtliche Inszenierung.

     

    Auf die im Szenenpflichtenheft vorgeschriebenen, Merkmal-Mikro-im-Mund: Knutschszenen, konnte nicht verzichtet werden. Dafür gab's immerhin keine Dialogszenen beim, Merkmal-Mikro-im-Mund: Essen. Auch keine der sonst stets durch die Szenen wabernden Depri-Bass Sounds.

     

    Klar, alles hölzern und holzschnittartig. Aber angesichts dessen, daß man nicht dauernd mit der sonst üblichen, impertinent penetranten Befindlichkeitspornografie belästigt wurde, die sich hier ganz atypisch in gewissen Grenzen hielt, war man schon zufrieden.

     

    Ob sich hier aber ein neuer Trend, vielleicht wieder zurück zum Krimi abzeichnet, wäre dann doch ein zu vermessener Wunsch.

  • N
    Noncommittal

    Ich habe es nicht ausgehalten. Diese verwoehnte Eisprinzessin als Kommissarin ist einfach nur -- gebe ich dem Vorredner recht -- grottenschlecht.

  • D
    Dirk

    @Tatort Volksverarschung

    Sorry, aber ich kann's einfach nicht mehr lesen, diesen Quatsch von der "Zwangsfinanzierung des sozialistischen Staatsrundfunks". Zum einen braucht man sich den Zwang ja nicht antun, einfach aufs TV verzichten (sich aber einen anzuschaffen, aber für die geguckten Sendungen nicht bezahlen zu wollen, finde ich schlicht heuchlerisch), zum anderen kann man bei den Privaten viel eher von Zwangsfinanzierung sprechen, da man die mitbezahlt, selbst wenn man kein RTL oder Sat1 guckt, einfach durch den alltäglichen und notwendigen Konsum. Nur sind diese Zwangsgebühren in den Produktpreisen versteckt. Wieso sind die Feinde der angeblich "linken" Öffentlich-Rechtlichen nur so blind, wenn es um die Finanzierung von Fernsehen geht. Glauben Sie wirklich, Sie bekämen Kallwass und Co geschenkt? Im Gegenteil, Sie bezahlen sie sogar, wenn Sie sie schlecht finden und gar nicht haben wollen.

  • I
    IMHOtepII

    Ich bin ja bereit auch noch so gestelzte und konstruierte Filme anzusehen, wenn wenigstens die schauspielerische Leistung stimmt. Das Drehbuch, an welchem Frau Furtwängler mitgeschrieben hat, un bei dem sie ein "neues Talent" bei sich zu entdecken glaubte war ja schon schlimm genug. Die Kameraführung eine Zumutung und die Filmmusik irgendwie nicht da. Und fann Frau Furtwägler, die bei jeder Laienspielschar eines Hannoveraner Vorortes nur Drittbesetzung wäre - ich muss diesen Ausdruck leider benutzen - grottenschlecht. Das beste am gestrigen Fernsehabend in der ARD war der im Anschluss laufende "Mankell". Was für ein Unterschied. Kamera, Schnitt, Musik vom Feinsten und ein Kenneth Branagh, der den Name Schauspieler wirklich verdient. Großartig!

  • TV
    Tatort Volksverarschung

    Ihr dürft die Propagandamaschine für diesen Dreck jetzt wieder ausschalten. Die Zwangsfinanzierung des sozialistischen Staatsrundfunks durch die gesamte Wahlherde ab 2013 wurde inzwischen mit aller Gewalt durchgesetzt.

    Danke.