: Hannover schimpft auf Bremer Sumpf
■ Offene Worte über den Vulkan auf der „Regionalkonferenz Unterweser“
„Kein Mensch in Bremen“ habe offensichtlich begriffen, „was passiert ist“, schimpfte der Staatssekretär im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Alfred Tacke, am Samstag vormittag auf einer internen „Unterweser-Konferenz“ in der Strandlust in Vegesack. Die ca. 40 anwesenden Politiker hörten eine Brandrede zum Thema Vulkan, wie sie sie nicht erwartet hatten. „Kein Pfennig aus Niedersachsen“ werde es geben, so wie die Dinge stehen. Bremer SPD, Bremer CDU – alle gehörten sie zu dem „Bremer Sumpf“.
Tacke hatte sich vorher vergewissert, daß der Kreis intern und keine Journalisten im Raum wären. Die Bundestagsabgeordneten aller Parteien gehören zu dieser Unterwesen-Konferenz, die lokalen SPD-Größen von Sabine Uhl bis Betriebsrat Hasso Kulla, der Ortsamtsleiter Kück, niedersächsische Bürgermeister und Kreisdirektoren.
„Ein Schiff nach dem anderen“ sei unter Selbstkosten gebaut worden, „jeder wußte“, daß das nicht lange gut gehen kann, griff Tacke die versammelte Vulkan-Trauergesellschaft an. Tacke führte am Beispiel des Dasa-Betriebes Lemwerder vor, was Sanierung heißt: 20 Prozent Lohnverzicht und demnächst noch einmal einen Stellenabbau von 750 auf 400 werde es geben, damit der Betrieb im nächsten Jahr dann schwarze Zahlen schreibt. Lemwerder hatte einmal weit über 1000 Beschäftigte.
Die anwesenden SPD-PolitikerInnen waren sprachlos über die Härte ihres Genossen und überließen die Reaktion dem CDU-Wirtschaftssenator Hartmut Perschau. Der deutete an, daß der Bremer Senat sich an den Bremer Vulkan-Firmen beteiligen müsse. Anders sind rein rechtlich staatliche Investitionen nicht möglich. Voraussetzung dafür ist aber, daß der Verbund mit den Ost-Betrieben zerschlagen wird.
Dies ist auch das Ziel des Bonner Wirtschaftsministeriums, berichtete Marieluise Beck (Grüne) der Runde aus dem Bonner Wirtschafts-Ausschuß, der am vergangenen Mittwoch getagt hatte. Direkte Vulkan-Hilfen wird es danach nicht geben, an eine Aufstockung der Fördermittel für Ersatzarbeitsplätze sei „nicht zu denken“, sagte Beck. Denn dafür müßten ja die Ost-Länder auf einen Teil der ihnen zustehenden Fördermittel verzichten. Das sei kein Thema, insbesondere nachdem 850 Millionen in die Bremer Konzernkasse abgeflossen waren. Auch Wirtschaftsminister Rexroth, so berichtete Beck, strebe eine „treuhänderische Lösung“ allein für die Ostwerften an. Die saubere Abtrennung soll es ermöglichen, in Brüssel eine Zustimmung für den Ersatz der Richtung Westen abgezweigten Mittel zu erreichen.
Auch die psychologischen Voraussetzungen dafür, daß Bremen geholfen wird, sind in Bonn derzeit nicht gegeben. „Wir werden an einer zeitweiligen Eigentumsübertragung nicht vorbeikommen“, meinte denn auch Perschau realistisch.
Wie die Vulkan-Betriebe kostendeckend Schiffe bauen sollen, steht dabei aber noch vollkommen in den Sternen. Die Hamburger HDW, plauderte Perschau aus, muß bei ihren Aufträgen im Container-Bereich auch zubuttern. Überschüsse erwirtschaftet sie mit lukrativen Aufträgen im Marineschiffbau. Die Frage wäre dann, wieviele werften das Bundesverteidigungsministerium über Wasser halten will und kann.
Am Rande der Regionalkonferenz Unterweser-Raum gab es natürlich die Frage, was den SPD-Politiker aus Hannover motiviert, so scharf zu schießen. Direkt antwortete er auf einen Redebeitrag des Vulkan-Gesamtbetriebsrates Kalli Schönberger, der „die Politik“ aufforderte, ihren Streit über die Ursachen des Desasters einzustellen und gemeinsam dem Verbund zu helfen. Eine Ahnung davon, daß die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat Verantwortung tragen könnten, war dem nicht zu entnehmen.
Für den niedersächsischen Wirtschafsminister ist das Passagierschiff-Programm des Vulkan aber auch direkte Konkurrenz zu seinem eigenen Sorgenkind, der Meyer-Werft in Papenburg. Die Werft an der Ems, für die auf Staatskosten immer wieder der Fluß vertieft wird, ist beleibe nicht so ein Beispiel unternehmerischen Erfolgs, wie sie dem Vulkan hin und wieder als leuchtendes Beispiel vorgeführt wird. Indirekt profitiert die Werft von Entwicklungshilfe-Geldern, die über ihre guten CDU-Kontakte immer wieder für Indonesien bereitgestellt werden. Von dort bezieht die Meyer-Werft auch preiswert gefertigte Vorprodukte.
Aufgrund der Vibrations-Probleme mit der Oreana hat Meyer-Papenburg derzeit ganz akute Probleme. Daß die Schwierigkeiten der Meyer-Werft ein Hoffnungsschimmer für den neuen Passagier-Konzept auf dem Vulkan sein könnten, wollte auf der Regionalkonferenz Unterweser-Raum so offen natürlich niemand ansprechen.
K.W.
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