: Hannover berät über Obdachlose
Mehr als drei Wochen nach dem fünften Übergriff in diesem Jahr schlug der Kommunale Kriminalpräventionsrat gestern Gegenmaßnahmen vor. So sollen Obdachlose künftig ihre Hunde in die Unterkünfte mitbringen dürfen
Die Täter waren 18 und 19 Jahre alt, ihr Opfer fanden sie schlafend auf einer Bank. Die kippten sie um, sprangen auf den am Boden liegenden Mann. Einer urinierte auf den Obdachlosen. Der andere filmte die Tat mit dem Handy, auf dem die Polizei später das Video einer zweiten Misshandlung fand (taz berichtete).
In Hannover war dies die fünfte bekannt gewordene Attacke gegen Obdachlose in diesem Jahr, eine vergleichbare Konzentration ist aus anderen Städten nicht bekannt. Immer waren die Täter Jugendliche oder junge Männer, immer waren sie betrunken. Der Alkoholgehalt im Blut habe zwischen 1,1 und 2,3 Promille gelegen, sagt die Geschäftsführerin des Hannoverschen Straßenmagazins Asphalt, Almut Maldfeld. Das habe sich bei der gestrigen Sitzung des Hannoverschen Kriminalpräventionsrats herausgestellt.
Das Gremium, in dem Polizei und Staatsanwaltschaft, Lokalpolitiker und Sozialarbeiter sitzen, kam gestern, mehr als drei Wochen nach dem letzten Übergriff zusammen, um über Gegenmaßnahmen zu beraten. „Wir bemühen uns um kleine, aber redliche Schritte“, sagt der Vorsitzende des Präventionsrats, Bürgermeister Bernd Strauch.
So fordert der Rat, das auch in Hannover verbreitete „Flatrate-Saufen“ in Diskotheken zu verbieten. „Die einzige Verbindungslinie zwischen den Taten war der Alkohol“, sagt Strauch. Das bestätigt auch Hannovers Leitender Oberstaatsanwalt Manfred Wendt. Zwar seien zwei der Opfer in diesem Jahr Polen gewesen, Hinweise auf ausländerfeindliche Motive gebe es aber nicht.
Weil die Opfer alle im Freien übernachteten, soll auf der anderen Seite die Schwellenangst vor den Unterkünften abgebaut werden. So könnten die Unterkünfte verkleinert und die Hausordnung so verändert werden, dass Obdachlose ihre Hunde mitbringen dürften. „Das ist offenbar ein Problem“, sagt Bürgermeister Strauch.
Weiter fordert der Präventionsrat, zusätzliche Beratungsstellen für Frauen zu schaffen und nicht-deutsche Obdachlose miteinzubeziehen. Letztere hätten juristisch den Status von Touristen und könnten die existierenden Angebote gar nicht in Anspruch nehmen.
Es sei ein sehr guter Anfang, das Problem öffentlich zu diskutieren, sagt Asphalt-Geschäftsführerin Maldfeld. Mit ihrem Obdachlosenmagazin will sie nun verstärkt in die Berufsschulen gehen. Dort, vermutet sie, sei das Aggressionspotenzial besonders hoch. DANIEL WIESE