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Handy-FernsehenBriefmarken-TV hängt durch

Der mobile Fernsehempfang stockt - Firmen streiten sich um Geräte und Standards. Dabei lässt sich inzwischen das ganz normale Antennenfernsehen DVB-T auf Handys empfangen.

Handy-TV: Gerade will's niemand wirklich sehen. Bild: dpa

Man kann sich herzlich darüber streiten, wie sinnvoll es ist, das altbekannte TV-Gedudel auch auf Mobiltelefone zu holen. Die Industrie und die Medienkonzerne schienen jedenfalls davon überzeugt zu sein: Schon 2006 wollten sie pünktlich zur Fußball-WM mit dem Unterwegsempfang der schönsten Tore neue Kundengruppen erschließen. Allein, die Technologie kam über den Pilotbetrieb bislang nicht hinaus.

In dieser Woche gab einer der technischen Wettbewerber, das so genannte "Digital Multimedia Broadcasting", kurz DMB, faktisch auf: Der marktführende Betreiber Mobiles Fernsehen Deutschland (MFD) gab eine entsprechende Lizenz an die Landesrundfunkanstalten zurück, das Programmpaket "Watcha" werde abgeschaltet. Angesehen hatten es offenbar zu wenig Nutzer, auch gab es nur eine geringe Auswahl an Empfangs-Handys - in Deutschland gar nur ein einziges Modell vom Anbieter Samsung. Damit sei "das in 2006 begonnene DMB-Pilotprojekt in Deutschland beendet", sagte Axel Dürr, Sprecher der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, gegenüber dem IT-Nachrichtendienst "Golem.de".

Doch mit dem Verschwinden von DMB ist das Handy-TV an sich noch nicht dem Untergang geweiht. Ein anderer Standard, genannt DVB-H, gilt in Europa inzwischen als Zukunft. Er wird unter anderem von LG, Nokia und Samsung unterstützt. Auch diesmal hat sich die Branche ein großes Event als Starttermin ausgeguckt: Pünktlich zur Fußball-EM in Österreich und der Schweiz im Juni 2008, soll es losgehen.

Auch der gescheiterte DMB-Anbieter Mobiles Fernsehen Deutschland ist wieder dabei: Er gehört zusammen mit der Multimediafirma Neva Media und den Verlagskonzernen Holtzbrinck und Burda zum neuen Konsortium "Mobile 3.0". Die Firma erhielt im Januar die offizielle Lizenz der Landesmedienanstalten und stach damit ein Konsortium aus T-Mobile, O2 und Vodafone aus. Geht alles gut, soll ab dem Frühling das Netz aufgebaut und ab Sommer dann gesendet werden. Gesendet wird altbekannte Kost: ARD, ZDF, RTL, Sat.1, Vox und ProSieben sollen dabei sein. Hinzu kommen neue digitale Hörfunkkanäle, unter anderem aus dem Bereich Comedy und Fußball.

Unklar ist noch das Geschäftsmodell. Bei "watcha", dem DMB-Angebot, das nun eingestellt wird, setzte man auf Abogebühren, die die Nutzer zahlen mussten, damit sie das TV-Signal entschlüsseln dürfen, das sonst bis auf die GEZ-Gebühr kostenlos ist. "Mobile 3.0" plant wohl einen ähnlichen Ansatz, Fachleute erwarten Preise zwischen 5 und 10 Euro im Monat - zusätzlich zu den herkömmlichen Handy-Gebühren, plus passendem Endgerät, das je nach Netzbetreiber subventioniert sein kann oder auch nicht.

Zwar muss sich DVB-H nicht mehr mit der leidigen Konkurrenz DMB auseinandersetzen. Wettbewerb droht nun aber aus einer ganz anderen Ecke: Der Handy-Hersteller LG wird im Mai das erste Mobiltelefon auf den Markt bringen, das den TV-Standard DVB-T beherrscht. DVB-T ist das ganz normale digitale Antennenfernsehen, mit dem man in vielen Regionen Deutschlands inzwischen 30 und mehr Kanäle über einen preisgünstigen Decoder empfangen kann und das die analoge terrestrische Übertragung ablöst. Der DVB-T-Decoder ist in dem LG-Gerät, das über eine kleine, ausziehbare Antenne verfügt, einfach eingebaut.

Der große Vorteil: Besitzer des Gerätes müssen keine Zusatzgebühren zahlen, die Nutzung ist mit der üblichen GEZ bereits abgegolten. Mindestens zwei große Mobilfunkbetreiber, Vodafone und T-Mobile, wollen das "HB620T" genannte Gerät ins Programm nehmen - zu teils sehr günstigen Konditionen, wenn man einen Zwei-Jahres-Vertrag abschließt. Ein zweiter Anbieter, das taiwanesische Unternehmen Gigabyte, steht mit einem eigenen Gerät ebenfalls in den Startlöchern, das von Vodafone vermarktet werden soll. Ganz problemlos ist DVB-T auf Handys allerdings nicht: Noch verbraucht der TV-Empfang viel Strom, so dass bei dem LG-Gerät nach nur zwei Stunden Fernsehgenuss Schluss sein soll. Ein Rückkanal, wie ihn DVB-H-Geräte bieten, um über UMTS Zusatzinformationen zu erhalten, fehlt. Beim Konsortium "Mobile 3.0" ist man denn laut einem Bericht des IT-Nachrichtendienstes "Heise" ohne Sorge. DVB-H sei schließlich auch inhaltlich für mobile Plattformen zugeschnitten.

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