Handelsblatt und handelsblatt.de relaunched: Kinder der Krise

Das Handelsblatt und handelsblatt.de kommen in neuem Lack daher. Gut schaut's aus – dabei ist das neue Design ein Kind der Krise. Online wird das Handelsblatt bald mehr kosten.

Das Handelsblatt präsentiert sich online und offline im "Business-Format". Bild: screenshot handelsblatt.com

Da liegt nun das Handelsblättchen. Gut schaut's aus, auch wenn die Titelseite arg lahm daherkommt. Innen wird's besser: Souverän gestaltete Doppelseiten, allerdings mit etwas unverständlicher Blattstruktur. Und ohne jeden Hinweis für die geneigte LeserIn, warum das Blatt plötzlich so aussieht.

Auf den Seiten 2 und 3 findet sich ne fette Anzeige, was dem an der Werbeflaute leidenden Handelsblatt ja einerseits gegönnt sei – aber gleich hier, auf den Seiten für's redaktionelle Tafelsilber? Dann zwei Seiten "Nachrichten des Tages", der übliche Gemischtwarenzirkus von Ausland (Afghanistan) bis zur Landesbank Baden-Württemberg. Gefolgt von einem nicht allzu taufrischen Schwerpunktseiten-Konzept: Interview mit dem neuen Finanzminister – einem gewissen Herrn Schäuble – und ein Report zur USA-Reise von Angela Merkel.

Auch handelsblatt.de wurde ein zum neuen Print-Format passender Relaunch verpasst, Die Seite ist nun deutlich übersichtlicher und auch anzeigenlastiger als bisher. Wenig zu sehen war am Start-Tag allerdings vom neuen Paid-Content-Modell des Wirtschafts-Verlags. Allerdings soll sich dies ohnehin nicht auf die klassischen Inhalte, sondern neue Dienste wie Handelsblatt-Mobile und spezielle Zusatzangebote beziehen.

72 Seiten stark ist die erste Tabloid-Ausgabe der Wirtschaftszeitung, auch das ein Unterschied. Weniger als zu Großformat-Zeiten sei auf keinen Fall drin, hatte schon bei den Münchner Medientagen vergangene Woche Bernd Ziesemer versprochen. Der Handelsblatt-Chefredakteur spricht übrigens lieber vom Business-Format, das passt besser zur vielfliegenden Zielgruppe. Und die sitzt schließlich heute der Krise wegen auf Economy-Plätzen oder gleich im Billigflieger, wo ein handlicheres Format von Vorteil sein mag.

Dass die Krise auch Vater der Tabloid-Werdung beim Handelsblatt ist, gibt Ziesemer unumwunden zu: "Wenn es besser gelaufen wäre, würden wir wahrscheinlich kein Format umstellen". Seit dem Herbst 2008 habe man intern diskutiert, wie man auf Konjunktureinbruch und Anzeigenkrise reagiert. Eine Sparvariante ist der neue Auftritt aber nicht: "Unterm Strich ist das momentan sogar teurer, als das, was wir bisher gemacht haben".

Fragt sich nun, ob es was bringt. Auf rund 140.000 Exemplare möchte Ziesemer die Auflage wieder steigern - die große Ausgabe verkaufte sich zuletzt rund 135.000 Mal. Hier steht das Handelsblatt zwar noch besser da als seine rosa Schwester Financial Times Deutschland, die sich aktuell nur noch gut 100.000 mal verkauft.

Doch beide Wirtschaftsblätter, die über die Krise so viel zu schreiben haben, können nicht wirklich von ihr profitieren – und verschenken zuviel von ihrer Auflage: Nur noch gut 89.000 der 135.000 Handelsblätter gehen zum vollen Preis am Kiosk weg oder an AbonnentInnen – an den restlichen knapp 46.000 Bordexemplaren und so genannten sonstigen Verkäufen verdient der Verlag so gut wie nichts. Bei der FTD, die schon immer im kleineren "Berliner Format" erscheint, sind es nur 55.000 "echte" Abos und Kiosk-Verkäufe – auch hier liegt die Quote der unter Preis abgegebenen Exemplare bei rund 45 Prozent der Auflage.

Online soll das Handelsblatt dagegen bald mehr kosten. Denn auch handelsblatt.de wurde ein zum neuen Print-Format passender Relaunch verpasst. Die Seite ist nun deutlich übersichtlicher und auch anzeigenlastiger als bisher. Wenig zu sehen war am Start-tag allerdings vom neuen Paid-Content-Modell des Wirtschafts-Verlags. Allerdings soll sich dies ohnehin nicht auf die klassischen Inhalte, sondern neue Dienste wie Handelsblatt-Mobile und spezielle Zusatzangebote beziehen.

Doch die Erfahrungen mit Tabloid sind in Deutschland durchwachsen: Als in Großbritannien Independent und Times 2004 Vorreiter im Schrumpfen waren, wurden sie mit Auflagenzuwächsen um zunächst rund 20 Prozent belohnt. Hierzulande hat sich bisher nur die Frankfurter Rundschau verkleinert – ohne die Formatumstellung im Mai 2007 zu nennenswerten Auflagenausschlägen nach oben geführt hätte. Im dritten Quartal 2009 zeigen die Zahlen ohnehin längst wieder nach unten. Springers Welt kompakt ist nicht direkt vergleichbar, es gibt sie ja noch, die große Welt. Genaue Zahlen gibt es aber nicht, der Verlag kippt die Auflagen beider Welten zusammen.

Im Vergleich zur konservativen Ursuppe der alten Welt ist Welt kompakt das entideologisierte schnelle Töchterlein für Zwischendurch. Das zu verzeichnende Auflagenplus dürfte eher auf dieses Konto sowie den günstigeren Preis gehen als durchs Format getrieben sein. Seit gestern erscheint auch Welt kompakt etwas aufgehübscht: Es gibt jetzt täglich Internet-Seiten und neue Regionalteile für Frankfurt/Main, Köln und Düsseldorf.

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