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Hamburgs Kulturpolitik im freien FallJägerin und Gejagte

Von einer Senatorin, die nach Hamburg kam, damit dort endlich wieder mit den Kulturschaffenden gesprochen werde. Und die nun ausgerechnet über ein kommunikatives Leck zwischen ihr selbst, ihrer Partei und ihrer Behörde strauchelt.

Ob man sich die Vorgänge rund um Hamburgs Museumsstiftung so vorstellen muss? Neandertaler im Harburger Helms-Museum. Bild: dpa

HAMBURG taz | Man weiß es nicht recht: Tanzen sie Tango - oder einen Veitstanz? Geplant oder chaotisch, ja: Ist das scheinbare Chaos am Ende sogar ein Indiz - für eine geheime Ordnung hinter den Dingen, die nur Eingeweihte verstehen können? Wenn, dann muss dieser Plan so geheim sein, dass ihn nicht mal mehr alle Beteiligten verstehen.

Die Rede ist von der immer buntere Blüten treibenden Diskussion um die "Stiftung Historische Museen Hamburg". Die war 2008 von der damaligen Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) aus vier Häusern geformt worden: dem Altonaer Museum, dem Museum für Hamburgische Geschichte, dem Museum der Arbeit und dem archäologischen Helms-Museum.

Ziel dieses Schöpfungsakts: Das finanzielle Defizit der vier Museen sollte abgetragen und diese über eine gemeinsame Dachmarke attraktiver gemacht werden.

Zum Generaldirektor der Stiftung hatte man zunächst einen Externen berufen wollen, was dann aus Gründen der Finanznot entfiel. Stattdessen wurden, reihum, die DirektorInnen der beteiligten Häuser auf den Posten berufen.

Sie scheiterten allesamt: Lisa Kosok vom Museum für Hamburgische Geschichte konnte sich genauso wenig gegen ihre KollegInnen durchsetzen wie Kirsten Baumann vom Museum der Arbeit, die eben erst, vor zwei Tagen, hinwarf.

Zu schwer ist offenbar die erwartete Quadratur des Kreises: das eigene Haus zu profilieren und zugleich die Stiftung insgesamt. Parallel zu der fruchtlosen Rotation wuchs das museale Defizit munter weiter, großteils verursacht dadurch, dass die Stadt anfallende Tarifsteigerungen nicht mehr ausgleicht - auf zuletzt eine Million.

Dem wollte von Welcks glückloser Nachfolger als Kultursenator, der Christdemokrat Reinhard Stuth, im Herbst vergangenen Jahres ein Ende machen: Urplötzlich verkündete er das Aus für das Altonaer Museum und frohlockte, dadurch ließen sich 3,5 Millionen jährlich einsparen.

Dass das nicht stimmte, rechneten die Museumsleute dann sehr schnell aus. Noch dazu erlebte die Hansestadt einen Bürgerprotest ohnegleichen, einen bis dahin selten erlebten Aufschrei für den Erhalt einer fast vergessenen Kulturinstitution.

Eine Bürgerinitiative gründete sich, der Altonaer Wutbürger war geboren. Und die Politik? Zuckte zurück und stundete die Schließung - unter einer Bedingung: Die Stiftung erarbeitet selbst ein Konzept, um bei gleichbleibenden Finanzen moderner und attraktiver zu werden.

Ein halbes Jahr später war alles neu, der schwarz-grüne Senat abgewählt und durch einen von der SPD ersetzt. Aus Berlin kam, als strahlende Galionsfigur, die Parteilose Barbara Kisseler als neue Kultursenatorin in den Norden. Ja, befand auch sie: Ein Konzept werde die Hamburger Museumskrise lösen. Vor allem aber müsse man mit den Leuten reden, jawohl.

Das Konzept nun liegt seit einigen Wochen vor. Eine Aneinanderreihung von Chancen und Risiken des Investierens und Sparens ist es geworden, und ein Plädoyer für den Erhalt der Stiftung: Neben einer Million Euro fordert es - einen externen Generaldirektor.

Und damit, genauer: am vergangenen Dienstag, begann Merkwürdiges: Das Konzept sei ordentlich, man sei alles in allem dafür, sagte die Kultursenatorin im dazugehörigen Ausschuss des städtischen Parlaments. Stiftungschefin Kirsten Baumann, sozusagen die Mutter des Papiers, saß stumm daneben: Sie offiziell zu dem Termin zu laden, hatte die Senatorin nicht für nötig gehalten. Soviel zum Thema: reden mit den Leuten.

Zwei Tage später fiel Kisseler in dieselbe Grube: Reichlich überraschend zog die SPD-Bürgerschaftsfraktion einen Antrag aus der Tasche, der das Gegenteil all dessen fordert, was das Baumannsche Konzept empfiehlt: Das Helms-Museum soll raus aus der Stiftung, von einem Generaldirektor ist keine Rede mehr.

Eben dadurch wolle man die Stiftung stärken, erklärte, etwas paradox, die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Gabi Dobusch: durch "Verschlankung" und "Konzentration auf die Kernmarke". Und da gehört Archäologie im Stadtteil Harburg eben nicht dazu.

Und die Kultursenatorin? Schnappte ein paar Stunden lang nach Luft und sandte dann ein Statement in die Welt: Ja, man finde den SPD-Antrag gut, Verschlankung sei doch eine feine Sache.

Dass Konzept-Autorin Baumann weder vor noch nach der Kehrtwendung informiert wurde - egal. Dass das Papier jetzt Makulatur ist - Schwamm drüber. Hauptsache Einigkeit demonstrieren. Vielleicht, so vielleicht das Kalkül, würden die Betroffenen, werde die Öffentlichkeit die unschönen Widersprüche schlicht vergessen.

Aber genau das passierte nicht: Kirsten Baumann etwa, keine ganz unwesentliche Protagonistin, legt den Stiftungsvorstand zum Jahresende nieder. Die Herauslösung des Harburger Helms-Museums sei der Anfang vom Ende der Gesamtstiftung und löse aktuell kein Problem, erklärte sie vor zwei Tagen.

Auch allerlei anderes blieb in dem SPD-Antrag ungelöst. Macht nichts, finden nun unisono die Kulturbehörde und Hamburgs SPD: Ist ja nur ein Antrag, und Details braucht die Behörde erst im kommenden Jahr zu liefern.

Aber es macht eben doch was: Erstens ist der Antrag schon so gut wie beschlossen, weil die SPD in Hamburg die Mehrheit hat und in der Bürgerschaft folglich ein Heimspiel. Zweitens hat die Geschichte ein Geschmäckle, das die örtliche Opposition klar benannt hat: Mit ihrem hinterrücks gestellten Antrag führe die SPD ihre eigene Senatorin "am Nasenring durch die Stadt", so CDU und Grüne.

Aber das Schisma zwischen Partei und Senatorin geht noch tiefer: Unklar ist nämlich auch, ob die Museumsstiftung einen neuen Generaldirektor bekommen soll oder nicht: Ja, sie soll, aber er soll nicht eingreifen, sagt die Senatorin. Nein, sie soll nicht, 300.000 Euro jährlich für einen "Wasserkopf", das sei zu teuer, findet die SPD. Und trotz alledem: "Zwischen SPD und Senatorin passt kein Blatt", sagt die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion.

Oberflächlich betrachtet mag das stimmen. Intern aber knirscht es gewaltig. Und ob die Kluft nun zwischen SPD und Senatorin herrscht oder zwischen dieser und SaboteurInnen in ihrer eigenen Behörde, die den Antrag nicht an die Chefin weiterleiteten, ist letztlich egal. Irgendwer jedenfalls hat da seinen Laden nicht im Griff.

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