: Hamburgs Herz für Kinder
■ Schulsenatorin verteidigt Haushalt in der Bürgerschaft / Eltern und Kinder protestieren im Foyer / Uni-Sparmaßnahmen rechtswidrig? Von Kaija Kutter
„Da draußen stehen 100 Leute mit Karten, die dürfen nicht rein!“ Ein aufgeregter Zwischenruf störte gestern den dritten Tag der Haushaltsdebatte, in der die Bildungspolitik dieser Stadt auf der Tagesordnung stand. Die Rathausdiener waren mit protestierenden Eltern und Kindern aus drei Poppenbüttler Kindergärten offenbar überfordert. Zwar hatten die Erwachsenen Eintrittskarten, die aber nicht für ihre Kinder gültig sein sollten.
So hörte nur eine kleine Delegation von der Tribüne zu, was Schul- und Jugendsenatorin Rosemarie Raab zu sagen hatte: Die von Initiativen „gebetsmühlenartig“ vorgetragene Behauptung, Kinder seien die Sparschweine dieser Stadt, sei schlicht falsch. Raab: „Kinder und Jugendliche haben Priorität in dieser Stadt.“ Dafür spreche der Drei-Milliarden-Etat ihrer Behörde, der 508 Millionen Mark für den Ausbau von Kindertagesheimen enthalte.
Auch an die Adresse der zwei Hamburger Lehrerverbände teilte die Senatorin kräftig aus. Sie habe zu Beginn des Jahres Alternativen zur jetzt beschlossenen Arbeitszeiterhöhung in die Diskussion gebracht. Statt darauf einzugehen, hätten diese sich „in die 4. Elbtunnelröhre verzogen“.
Jede künftige Verbesserung im Schulwesen sei „nur durch Umschichtung möglich“, so Raab weiter. Wer den Antrag auf ein 38,5-Stunden-Modell für Lehrer stelle, wie kürzlich GAL-Politiker Kurt Edler in der taz, der müsse auch „den Mut haben zu sagen, daß dies nur im Rahmen des Stellenplans geht“. Er wecke sonst Hoffnung auf Entlastung, die es nicht gebe, „auch in den nächsten zehn Jahren nicht“.
Kooperationspartnerin Rotraut Meyer-Verheyen, die die von ihr favorisierte Einführung der „verläßlichen Halbtagsgrundschule“ lobte, schlug den selben Tenor an: „Wenn 1996 Schule gute Qualität haben soll, dann müssen wir weiteres streichen.“
Etwas lauer als die Schuldebatte – in deren Rahmen Kurt Edler seinen Antrag für ein neues Arbeitszeitmodell erläuterte und die CDU-Politikerin Ingeborg Knipper ihre Abneigung gegen Gesamtschulen wiederholt betonte – verlief die Aussprache über Hochschulpolitik. Wohl auch, weil sich die Fronten in diesem Ressort verschoben haben. „Ich habe mich öffentlich geäußert, was meiner Einschätzung nach 1996 und 1997 machbar ist“, sagte Hajen mit Verweis auf seine Rede vor der Universitätsgesellschaft vor einer Woche, in der er eingeräumt hatte, daß die geforderten Sparsummen nicht zu erbringen seien. Für das Jahr 1995 habe er einen „realistischen Haushalt“ verfaßt.
Fraglich, ob die Gerichte dies auch so sehen. Laut Haushaltsplan sollen für 60 gestrichene Stellen an der Uni 450 Studienplätze wegfallen. Seit gestern liegt ein Beschluß des Verwaltungsgerichts vor, der die Streichung von 25 Medizin-Studienplätzen unterbindet. Ein Urteil, das nach Auffassung von Uni-Präsident Jürgen Lüthje „die rechtlichen Grundlagen des Sparprogramms erschüttert“.
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