Hamburger Szene von Ilka Kreutzträger: Senioren und untrainierte Frauen
Iliosakralgelenkblockierung. Wem dieses Wort was sagt, der weiß: Das macht keinen Spaß, das nervt, das tut weh. Und vermutlich sagt dieses Wortungetüm derzeit bedauerlicherweise deutlich mehr Menschen etwas als noch vor einem Jahr. Als man noch mit dem Rad ins Büro fuhr, um dort auf rückenfreundlichen Bürostühlen zu sitzen oder am höhenverstellbaren Schreibtisch zu stehen und nach Feierabend noch ’ne Runde zu laufen, zu schwimmen oder sonst was mit Bewegung zu machen – in einer Bar stehen, zu Fuß ins Kino laufen, irgendwas halt. Mir geht das jedenfalls so.
Als ich mir gestern Termine bei der Physiotherapeutin holte, kam mir dieses blöde Wort gar nicht über die Lippen. Illi-O-Sakral äh, Sie wissen schon, oder? Ja, wusste sie, lahme Diagnose, haben gerade alle.
Vorher hatte die Orthopädin auch nur ein paar Minütchen mit kalten Händen auf Rücken und Hüfte herumgedrückt, ja, ja, alles schief, verdreht, verkrampft, muss man was machen, auf einer Skala von 1 bis 10, wie ist der Schmerz? Nicht okay auf jeden Fall.
Haben wir alle immer mal, hatte mir die Sprechstundenhilfe noch mit auf den Weg gegeben, um mich vorher nach der Farbe für diese komischen Tapes zu fragen, die sie mir auf den Rücken bastelte. Ja, Farbe, ist das nicht egal? Welche Farbe? Interessiert das wen? Mich nicht.
Mit Farben ging es dann in der Apotheke weiter, dort sollte ich mir so ein Turnband holen. Mittelstark, hatte die Orthopädin gesagt. „Welche Farbe?“, fragte die Apothekerin. Farbe, ja, wusste ich wieder keine Antwort drauf. Wir recherchierten also beide los, sie am Rechner, ich am Handy. „Also“, sagte sie nach einer kleine Weile. „Es gibt hier gelb, rot, grün, blau. Gelb ist für Senioren und untrainierte Frauen. Das will man doch aus Prinzip schon nicht.“ Stimmt, was sind denn das für Kategorien? „Gibt es denn auch eine extra Kategorie für untrainierte Männer?“, fragte ich. Sie lachte laut auf, der netteste Moment des Tages. „Na, raten Sie doch mal …“
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