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Hamburger Szene vonAlexander DiehlStabilität und Suppe

Auch eine Art Reise zurück: In den „Jugendstilsaal“ des Palais Esplanade hatte man geladen, in die betonte Gediegenheit dieses Nebengebäudes eines – seinerseits schon einiges an Gediegenheit beanspruchenden – Hotels in Innenstadtlage. Und wer kann wohl teilnehmen an so einer Veranstaltung an einem Mittwochmittag? Doch vor allem Menschen, die den Zwängen des Broterwerbs beneidenswert enthoben scheinen – und so darf sich der taz-Berichterstatter jung fühlen, unterdurchschnittlich jung wenigstens.

Am Ende alles alte Sozialdemokrat*innen? Denn geschickt anmoderiert hatte die Evangelische Akademie der Nordkirche dieses erst mal letzte ihrer „Hamburger Mittagsgespräche“, bei dem es gehen sollte um „Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen“. Und weil, sagen wir: Schloss Neuschwanstein nicht nur weit weg ist, sondern auch ein eher abgegrabbeltes Beispiel nicht-authentischen Altertums, hatte man gefragt: „Was treibt uns zu Helmut Schmidt nach Langenhorn?“

Um den Altkanzler und sein neuerdings homöopathisch für Besuche geöffnetes Wohnhaus ging es dann nur am Rande, aber umso mehr um die Versprechungen und Welterklärungs-, auch -vereinfachungsangebote der Touristik. Die ist laut Valentin Groebner „die drittgrößte Dienstleistungsbranche des Planeten“: Der in Luzern lehrende Historiker hatte sein Buch „Retroland“ dabei, dessen Untertitel der Veranstaltung das Motto lieferte. Aber eine Lesung ist so ein „Mittagsgespräch“ keines, sondern tatsächlich: Dialog, gefolgt von belegten Brötchen und Cremesuppe.

Groebner zur Seite stand nun Axel Drecoll, seit sieben Monaten Leiter der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten; zur Sicherheit: Es geht da um KZ-Gedenkstätten, auch die sind ja touristische Ziele. Davor wirkte er zehn Jahre an noch so einer potenziell dunklen Destination: dem Obersalzberg, der „Bergfestung“ Adolf Hitlers.

Sieht man sich an, was in Hamburg wie vermarktet wird an Übernachtungsgäste, könnte man meinen: Hier ist die Ausnahme die Regel, wie sie die beiden funkensprühenden Diskutanten – moderiert von Jürgen Heilig von der Akademie – verhandelten: dass nämlich vielfach ein Zurück verkauft werde, ein Versprechen von Authentizität und, ja: Stabilität in den – eigentlich immer von irgendwem – als unübersichtlich wahrgenommenen Zeiten. Nicht nur um Ruinen in Italien ging es dabei, auch ums niedersächsische Kalkriese: Die Deutschen, so Groebner, hätten sie partout nicht ausgehalten, diese Unsicherheit, wo denn nun damals die Römer besiegt worden seien. An der Elbe derweil: nicht mal eine anständige Hammaburg. Reißen vielleicht zu gern ab, die Leute hier, statt mal zu verreisen.

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