Hamburger Personalentscheidungen: CDU übt Basisdemokratie
Hamburgs CDU sucht per Mitgliederbefragung neuen Parteichef. Die Favoriten Marcus Weinberg und Karin Prien stehen für die Konflikte Mann gegen Frau, Führung gegen Basis, Ja oder Nein zur Primarschule.
HAMBURG taz | Hamburgs CDU konzentriert sich auf ihre Kernwählerschaft. Im Seniorenzentrum "New Living Home" im Stadtteil Eimsbüttel präsentieren sich am kommenden Dienstagabend erstmals die Bewerber um den Landesvorsitz. Acht KandidatInnen haben bis zum Anmeldeschluss am gestrigen Dienstagmittag ihre Ambitionen angemeldet, aber nur zwei gelten als aussichtsreich.
Marcus Weinberg und Karin Prien heißen die beiden klaren Favoriten auf den Chefposten. Sie personifizieren die drei Bruchlinien, die derzeit die Hanse-Union spalten: Führung gegen Basis, Mann gegen Frau, Ja oder Nein zur Primarschule. Als pikant gilt zudem, dass beide aus dem Kreisverband Altona stammen: Prien aus dem wohlhabenden Elbvillenviertel Blankenese, Weinberg aus dem sozial schwachen Stadtteil Bahrenfeld.
Der 43-jährige Weinberg, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Parteivorsitzender, wurde vom Landesvorstand vorgeschlagen, nachdem Parteichef Frank Schira wegen der schweren Niederlage der CDU bei der Bürgerschaftswahl am 20. Februar seinen Rücktritt zum Juni angekündigt hatte.
Das Verfahren für die Kür einer/eines neuen Landesvorsitzenden hat die Hamburger CDU auf einem Parteitag am 29. März festgelegt.
Alle KandidatInnen müssen sich bei Veranstaltungen in den sieben Kreisverbänden vorstellen. Die erste findet statt am Dienstag, 19. April, die letzte am Donnerstag, 5. Mai.
Danach können alle gut 9.300 Hamburger ChristdemokratInnen bis Samstag, 4. Juni, per Briefwahl ihr Votum abgeben.
Am Sonntag, 5. Juni, gibt der Landesvorstand das Ergebnis der Auszählung bekannt.
Am Donnerstag, 16. Juni, soll ein Landesparteitag das Ergebnis der Mitgliederbefragung offiziell absegnen.
Bei einer Stichwahl verlängert sich das Verfahren.
Gegen Weinberg regte sich in der Partei aus drei Gründen Unmut. Manche rügten, dass diese Personalie im Hinterzimmer ausgekungelt worden sei und forderten eine offene Personaldebatte in der Partei. Einer zweiten Gruppe gilt der Lehrer Weinberg als unzumutbar, weil er in der schwarz-grünen Koalition einer der vehementesten Verfechter der Primarschule war. Und die Frauen in der CDU finden, es sei Zeit für eine Frau an der Parteispitze.
Nach längeren Debatten - ebenfalls hinter den Kulissen - einigten sich führende Christdemokratinnen Ende voriger Woche auf Prien. Die 45-jährige Rechtsanwältin aus Blankenese hatte sich in der CDU als vehemente Gegnerin der Primarschule profiliert.
Dennoch wird ihre Kandidatur gestützt von der Primarschulfreundin und stellvertretenden Parteivorsitzenden Karen Koop. Hier wiegt der Wunsch nach Gleichberechtigung von Frauen schwerer als programmatische Differenzen.
Und so bemühten sich denn auch Prien und Weinberg am Dienstag in Gesprächen mit der taz nord, den inhaltlichen Konflikt zu bemänteln. "Das Thema ist durch", sagen beide über die Primarschuldebatte. Nach dem Volksentscheid im vorigen Sommer, dem Rücktritt von Bürgermeister Ole von Beust und dem anschließenden Bruch der schwarz-grünen Koalition gebe es darüber keine Diskussionen mehr in der Partei: "Der Volksentscheid gilt."
Allerdings gebe es "schon noch Befindlichkeiten", so Prien, "vielleicht auch Verwundungen", vermutet Weinberg. Beide aber wollen "da nichts schüren". Weinberg gilt als Protagonist einer liberalen Metropolen-CDU, und auch Prien sagt, sie stehe "uneingeschränkt für diesen Weg". Als ParteichefIn würden sie eine "große Integrationsleistung zu bewältigen haben", räumen beide ein.
Bis zum Volksentscheid über die Primarschulreform galten Prien, verheiratete Mutter dreier Söhne, und Weinberg, unverheirateter Vater eines Sohnes, als Gegenpole. Weinberg war in der CDU der aktivste Streiter für das längere gemeinsame Lernen an der Seite von Ole von Beust und der grünen Schulsenatorin Christa Goetsch; Prien indes unterstützte offen die Volksinitiative gegen diese Reform.
Nur Außenseiterchancen um den CDU-Chefposten attestieren politische Beobachter den weiteren KandidatInnen Marita Meyer-Kainer, 56, eine frühere Bürgerschaftsabgeordnete, und dem Ex-Sportstaatsrat Rolf Reincke, 46.
Zudem kandidieren vier Männer, die selbst in der eigenen Partei weitgehend unbekannt sind: Detlef Bandow-Tadsen, 64, Sebastian Fuß, 31, Detlef Felix Hartmann, 63, und Christian Albert Jacke, 50.
"Nehmen wir das als Beweis, dass die CDU Basisdemokratie übt", spottet ein Abgeordneter: "Das haben wir in der Koalition von den Grünen gelernt."
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