■ Hamburger Parteien sagen Fernsehdebatte wegen DVU ab: Begrüßenswerter Boykott
1982 konnte das Hamburger Oberverwaltungsgericht „nicht erkennen“, daß die Grünen im „Gesamtprogramm“ des NDR in „unausgewogener Weise benachteiligt“ worden seien. Die klagenden Alternativen mußten draußen bleiben beim Fernseh-Wahlhearing des NDR. 1993, elf Jahre später, sind die Programmbeobachter vom OVG sehr viel sicherer und schränken die Freiheit des NDR, sein Programm zu gestalten, ein. Diesmal geht es allerdings um eine rechtsradikale Partei, die DVU. Ihr Kandidat Rudolf Reimers wird von den OVG-Richtern in die für Dienstag geplante NDR-Wahlsendung „Im Kreuzfeuer“ gehievt. Begründung: Das Gebot der „Ausgewogenheit des Programms“ und die „Wahrung der Chancengleichheit der politischen Parteien“ würden vom NDR verletzt, wenn nur SPD, Grüne, FDP und CDU eingeladen seien.
Auch gegen die Politikverdrossenheit setzen sich die Richter ein: Die „mehrfache Bevorzugung“ dieser vier Parteien müsse vor dem Hintergrund gesehen werden, daß sie „nur 62 Prozent“ der bei der letzten Bürgerschaftswahl Wahlberechtigten vertreten. Ohne Bildschirmpräsenz keine Wähler, befinden sie sehr simpel: Die Herausstellung der etablierten Vier so kurz vor der Wahl verringere „die Chancen der anderen Parteien“.
Daß die VertreterInnen von SPD, Grünen, FDP und CDU nach diesem Urteil ihre Teilnahme an der Sendung am Dienstag absagten, kann man durchaus als wahlkampfstrategische Aktion voller Doppelmoral bezeichnen. Schließlich tun sich die Parteien sehr schwer mit dem generellen Verzicht auf Wahlspots, die auch rechten Parteien gesetzlich zustehen. Nicht nur die Hansestadt Hamburg könnte bei entsprechenden Änderungen des Mediengesetzes ermöglichen, rechtsradikale Wahlspots zu verbannen – wie es der NDR-Intendant und ARD-Chef Jobst Plog vorgeschlagen hat.
Der Boykott der vier Kandidaten ist dennoch zu begrüßen. Sie wollen sich die Auseinandersetzung mit Rechtsextremen und Rassisten nicht aufzwingen lassen. Denn das Einlassen auf Diskussionen mit der DVU des Nazi-Zeitungsverlegers Gerhard Frey bedeutet immer eine Aufwertung der rechtsextremen Gruppierung, die laut Verfassungsschutz „verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“. Die regelmäßig fließende Wahlkampfkostenerstattung ist schon mehr als genug der Anerkennung für die braune Truppe aus München.
Die Empörung des NDR, der in dem OVG-Beschluß einen „schwerwiegenden Eingriff in unsere redaktionelle Unabhängigkeit“ sieht, ist gerechtfertigt: denn es waren die gleichen Richter, die bereits verfügt hatten, daß der DVU 50 Prozent mehr Wahlwerbung im NDR zustehe, und das auch noch zu einer günstigeren Sendezeit. Hans-Hermann Kotte
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