Hamburg oder Husum: Wer bekommt die WindEnergy?: Der Kampf um Windmühlen
Der Streit um den Standort der weltgrößten Windmesse wird vor der Entscheidung am Mittwoch schärfer.
HAMBURG taz | Peter Becker lässt sich nicht entmutigen: "Wir haben eine exzellente Messe hier in Husum und scheuen den Wettbewerb mit Hamburg nicht", sagt der Geschäftsführer der Messe Husum GmbH. Die geplante Verlagerung der weltgrößten Windenergiemesse von Husum nach Hamburg werde für die Hansestadt "kein Selbstläufer", kündigt er im Gespräch mit der taz an: "Wir werden bei der kommenden Messe 2014 einen sensationellen Auftritt hinlegen."
Die Messe Windenergy hat sich seit 1989 aus alternativen Anfängen zur weltweit bedeutendsten Messe der erneuerbaren Energien entwickelt. Um die wachsenden Bedürfnisse von Ausstellern und Besuchern zu befriedigen, wurden die Hallenflächen stetig erweitert und im August vorigen Jahres mit dem neuen Nordsee-Congress-Centrum eine moderne Vielzweckhalle für Theateraufführungen, Konzerte und Kongresse eingeweiht.
Dennoch möchte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), ein Netzwerk von mehr als 3.000 Unternehmen, "die internationale Leitmesse der Windkraftindustrie weiter entwickeln", erklärt Geschäftsführer Thorsten Herdan.
Der VDMA geht in seinem Anforderungskatalog auf der Basis der realen Husumer Zahlen der Messe 2010 von drei Wachstumsprognosen aus:
Ausstellungsfläche: Sie soll von 43.000 Quadratmetern bis 2016 auf 73.788 qm steigen.
Ausstellerzahl: Diese soll sich binnen fünf Jahren erhöhen von 971 Unternehmen auf 1.666.
Besucher: Statt 33.000 Besuchern sollen es im Jahr 2016 bereits rund 56.600 sein.
Deshalb hatte der VDMA Husum, Hamburg und Hannover vertrauliche "Anforderungsmerkmale für eine Leitmesse Wind" vorgelegt und um neue Konzepte gebeten. Am morgigen Mittwoch will der Verband auf einer Pressekonferenz in Hamburg bekannt geben, welche Stadt ihn überzeugt hat und ab 2016 die Messe ausrichten soll.
Dem Vernehmen nach handelt es sich eben um Hamburg. Der ins Auge gefasste Zeitpunkt ist fast schon eine Kriegserklärung: Genau eine Woche vor der bereits für den 23. bis 27. September 2014 in Husum terminierten Windenergy könnte die Hamburg Messe ihre Konkurrenzveranstaltung durchziehen, unmittelbar im Anschluss an die internationale Schiffbaumesse SMM, an welcher die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer ebenfalls großes Interesse haben.
Das vertrauliche Anforderungsprofil des Verbandes, welches der taz nord vorliegt, ist denn auch ziemlich eindeutig auf die Metropole an der Elbe zugeschnitten. So wird im Kapitel "Infrastruktur Messestandort" die Entfernung vom nächsten Seehafen ebenso erfragt wie die "Hotelkapazitäten im Umkreis 5 km". Auch das "kulturelle Angebot", die Verfügbarkeit repräsentativer "Locations für Firmenevents" und die Zahl der Restaurants gehobener Qualität ist dem VDMA wichtig.
Husum habe da "strategische Nachteile", räumt Hermann Albers ein, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Es sei "keine Frage", dass die nur gut 22.000 Einwohner zählende Kleinstadt an der Nordsee "sich anstrengen muss". Aus seiner Sicht indes "ist der traditionelle Standort Husum erfolgreich". Auch könne der VDMA "keine Entscheidungen für die ganze Branche treffen", sagt Albers. "Viele Unternehmen sind da anderer Ansicht." Herdan möchte das nicht kommentieren: "Wir äußern uns am Mittwoch zu allen Fragen, nicht vorher."
Dann gibt es wahrscheinlich auch Antworten auf Gedankenspiele, doch noch Formen der Kooperation zwischen der nordfriesischen Kreisstadt und dem hanseatischen Stadtstaat zu finden. So wird hinter den Kulissen geflüstert, bei dem enorm wachsenden Markt sei eine Aufteilung möglich. Danach bliebe die Onshore-Windkraft in Husum, Hamburg würde die Offshore-Industrie bekommen.
Wenn der VDMA von seiner "fixen Idee" einer "Mega-Messe für Alles" abrücken würde, sei eine Zusammenarbeit durchaus denkbar, vermutet ein Eingeweihter. Außerdem sei das auch im Sinne Hamburgs. Denn bei den Flächenprognosen für die nächsten Jahre (siehe Kasten) würde selbst das Hamburger Messegelände mit seinen 87.000 Quadratmetern in absehbarer Zeit an die Grenzen seiner Kapazitäten stoßen.
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