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Hamas-Funtionär über Europa"Die Palästinenser zahlen den Preis"

Musa Abu Marzuq, Nummer Zwei der palästinensischen Hamas, beklagt die Forderungen der Europäer an seine Organisation. Er akzeptiert einen Staat in den Grenzen von 1967.

Alles hänge jetzt an der Kompromissbereitschaft der Fatah, meint Masurk. Bild: dpa
Interview von Kristin Helberg

taz: Herr Marsuk, Delegationen aus Russland, Großbritannien, Italien und Griechenland trafen sich in Damaskus mit der Hamas-Führung. Haben die Europäer ihre Haltung gegenüber der palästinensischen Organisation verändert?

Musa Abu Marsuk: Die gleichen Leute haben uns vorher auch schon besucht, allerdings nicht offiziell. Die Europäer haben ihre Kontakte zu Hamas nie ganz abgebrochen, aber meistens forderten sie eine Geheimhaltung dieser Treffen. Das hat sich nach dem Krieg in Gaza geändert. Aber ansonsten betrachten sie uns immer noch nicht als demokratisch gewählte Partei, sondern versuchen weiterhin, unsere Positionen zu verändern.

Europa fordert von der Hamas die Anerkennung Israels und früherer Abkommen sowie ein Abschwören der Gewalt.

Hamas kann keine Schritte unternehmen, die zu einer Akzeptanz im Westen und in Israel führen, aber gleichzeitig von der eigenen Bevölkerung abgelehnt werden. Wir halten deshalb an dem fest, was das palästinensische Volk will.

Die Palästinenser wollen vor allem ein Ende des Bruderkriegs zwischen Fatah und Hamas. Warum haben sich die beiden Parteien noch immer nicht einigen können?

Eine Einigung hängt zum jetzigen Zeitpunkt von Fatah ab. Hamas hat sich sehr flexibel gezeigt und ist Fatah so weit wie möglich entgegengekommen, aber sie hat sich in keinem Punkt auf uns zubewegt. Fatah besteht auf der Erfüllung ausländischer Forderungen, die mit einem nationalen Dialog nichts zu tun haben. Die gesamte finanzielle Hilfe des Westens an die PLO ist an Bedingungen geknüpft, deshalb ist die PLO gezwungen, westliche Positionen zu vertreten. Das ist unakzeptabel. Es muss bei der palästinensischen Versöhnung um die Interessen unseres Volkes gehen und nicht um ausländische Gelder. Diese sind zum politischen Druckmittel geworden, um die Positionen des palästinensischen Volkes zu verändern. Von früheren Abkommen ist dabei nur noch die Rede, um Hamas unter Druck zu setzen, ansonsten spricht niemand mehr von Oslo, weder Israel noch die USA, nicht mal die PLO. Die internationalen Abkommen beinhalten das Rückkehrrecht der Palästinenser, die Zwei-Staaten-Lösung, Israels Rückzug aus den 1967 besetzten Gebieten, einen Siedlungsstopp und ein Ende der illegalen Landnahme. Alle diese Prinzipien werden von Israel verletzt. Wie können sie von Hamas eine Anerkennung früherer Abkommen fordern, an die sie sich selbst nicht halten?

1.300 Palästinenser sind durch den Krieg in Gaza umgekommen, die Lebensbedingungen sind heute schlechter als zuvor, der Gazastreifen ist noch immer abgeriegelt. Wie kann die Hamas da von "Sieg" sprechen?

Israel hatte diesen Krieg seit Langem geplant, um das politische Gleichgewicht in der Region zu verändern. Hamas sollte aus der Regierung gedrängt werden und [Palästinenserpräsident] Mahmud Abbas zurückkehren, der Raketenbeschuss aus Gaza und der illegale Waffenschmuggel sollten gestoppt werden. Diese Ziele rechtfertigen jedoch nicht das Töten so vieler Menschen. Die Israelis haben in diesem Krieg alle moralischen Standards gebrochen, indem sie Kinder und Frauen getötet und Krankenhäuser und UN-Schulen angegriffen haben. Am Ende hat Israel keines seiner Ziele erreicht, die Raketen flogen weiter, der Schmuggel geht weiter, Hamas verwaltet nach wie vor den Gazastreifen. Wir haben in diesem Krieg keine eigenen Ziele verfolgt, denn wir haben ihn nicht geplant, er kam über uns, und deshalb ging es nur darum zu verhindern, dass der Feind seine Ziele erreicht.

Die Hamas betrachtet das gesamte heutige Israel als palästinensisches Gebiet. Ein Ende der Besetzung würde folglich das Ende des Staates Israel bedeuten.

Wir haben einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 akzeptiert, aber Israel akzeptiert keinerlei Unabhängigkeit der Palästinenser. Israel will das Land und will die Kontrolle über die Leute, die es vertreibt. Der Westen sollte sich an die Tatsachen vor Ort halten und nicht der israelischen Propaganda folgen. Wenn der Westen wirklich zu einer Lösung in der Region kommen will, muss er den Palästinensern mindestens zu einem Staat in den Grenzen von 1967 verhelfen. Aber in Israel sind jetzt Leute an der Macht, die sehr radikal denken und eine Zwei-Staaten-Lösung ablehnen. Und die Palästinenser bezahlen den Preis dafür.

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5 Kommentare

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  • T
    t.s.

    Gilad ist nicht in Geiselhaft - nicht Opfer eines erpresserischen Menschenraubs, sondern er ist Kriegsgefangener.

     

    Anders ist es im Fall von vielen tausend Palästinensern, die ohne Prozess gefangengehalten und dazu aus den besetzten Gebieten entführt werden und wurden. Völkerrechts- und rechtswidrig natürlich.

    Ganz zu schweigen von Gaza, das ein einziges grosses Gefangenenlager ist.

     

    Das gewählte Abgeordnete des pal. Parlaments von Israel in Haft gehalten werden - ohne Prozess oder anderen triftigen Grund - ist allerdings sehr wohl ein Fall von erpresserischem Menschenraub, so wie es das ganze Besatzungssystem ist - ein kriminelles System zum Land- und Ressourcenraub.

  • A
    aso

    @ t.s.:

    „...sie hält nicht die gewählten Abgeordneten in Haft, lässt nicht jeden einsperren und foltern...“

     

    Hamas hält seit 3 Jahren den entführten Gilad Schalid in Geiselhaft. Dieser erpresserische Menschenraub widerspricht natürlich den Regeln der Genfer Konvention. Selbst wenn man ihn als Kriegsgefangenen bezeichnen würde, werden auch hier keinerlei Standarts beachtet, wie etwa Besuch des Roten Kreuzes. Seit langem gibt es kein Lebenszeichen.

    Das ist der Vorteil einer Terrororganisation wie Hamas: sie braucht sich um keinerlei Regeln zu kümmern.

    „...das ist das Problem der Fatah und der Palästinenser....“

    Wie das und jeses andere Problem auch beseitigt werden kann, ist in der Hamas-Charta nachzulesen...

  • T
    t.s.

    >> ... warum Hamas kein realistisches Konzept verfolgt und alles daran setzt, die PLO und Fatah für immer zu schwächen.

     

    Die HAMAS kollaboriert nicht mit den Besatzern wie die Fatah, sie lässt sich nicht von US-amerikanisch finanzierten und trainierten Milizen an der Macht halten, sie hält nicht die gewählten Abgeordneten in Haft, lässt nicht jeden einsperren und foltern der sich weigert dem Präsidenten von Israels Gnaden die Füsse zu küssen und hat während der isr. Strafexpedition in Gaza weder wie Funkionäre der FATAH gejubelt noch den Besatzern geholfen die Proteste gegen dieses Verbrechen niederzuschlagen.

    Es ist nicht die HAMAS welche die PLO/Fatah schwächt, sondern es sind die Quislinge der Fatah an der Spitze der PA.

     

    Die Fatah-Führung ist ein Teil der israelischen Besatzung, nicht anders wie die Europäer oder die USA, das ist das Problem der Fatah und der Palästinenser.

  • N
    Nadire

    Ich finde es gut, dass die taz mal die Perspektive der Hamas darstellt und kann nicht erkennen, wo die Journalistin @Ran Werbung für die Hamas gemacht hat.

    In meinen Augen stellt der Hamas-Mann sich doch selber blos: Die Palästinenser können gar nicht mehr aus sich selbst heraus leben. Sie brauchen Hilfe und die muss momentan aus dem Ausland kommen. Wenn die Hamas darauf verzichten will, plant sie eine exzessive Verarmung. Wenn sich die PLO und die Fatah aus allem herausziehen würden, dann würde es für die Bevölkerung auch nicht besser, weil Israel sich dadurch auch nicht ändert.

    Musa Abu Marzuq verkennt doch das Grundproblem: Die palästinensischen Gebiete sind ökonomisch stark angegriffen und Israel zerschneidet dort weiter wirtschaftliche Routen und verhindert Entwicklung. Die Palästinenser müssen mit Gebern zusammen arbeiten und zum Glück haben sie Freunde, die das tun wollen.

    In meinen Augen erklärt Musa Abu Marzuq, warum Hamas kein realistisches Konzept verfolgt und alles daran setzt, die PLO und Fatah für immer zu schwächen. Mag sein, dass die PLO viele Fehler gemacht hat, aber momentan kann es doch zu Hilfen gar keine Alternativen geben.

  • R
    Ran

    Kann es denn sein? Sie Drucken Propaganda einer mörderisch-verbrecherischen Terrororganisation ab als wäre es ein legitimes Sprachrohr?