: Hallen wie Autos
Betr.: „Offener Brief des BDB, taz-bremen vom 12. Juli
Das ist das Problem in der Architektur: der Nutzer, der das Werk des Architekten nutzen muss, ist vielen Architekten egal. Er sieht das von ihm entworfene Gebäude in erster Linie als „Kunstwerk“. Architekten planen jedoch keine Kunstwerke, sondern Gebrauchsgegenstände. Eine Stadthalle ist zunächst ein Versammlungs- und Veranstaltungsort. Das ein solches Gebäude auch eine annehmbare Form bekommen soll, ist selbstverständlich. Allerdings gehen gute Architekten bei ihren Planungen davon aus, dass die Form der Funktion folgt. Wenn die Planer der Stadthalle es versäumt haben das Gebäude so zu konstruieren, dass es sich veränderten Ansprüchen anpassen kann, dann haben sie schlechte Arbeit abgeliefert!
Der Vergleich mit einem Gemälde ist falsch, weil ein Gemälde nicht gebraucht wird, sondern allein als Kunstwerk zum Betrachten erschaffen wurde. Ein Vergleich mit einem Auto währe passender: Kann sich jemand vorstellen, dass VW den Autobesitzern verbietet, Dachgepäckträger auf den VW-Autos anzubringen, weil „ohne die Zustimmung der geistigen Urheber“ das Auto als Gesamtkunstwerk in seiner „skulpturalen Kraft“ nicht verändert werden darf? Am Schluss des offenen Briefes schreibt der BDB: „Braucht Bremen eine größere Halle, sind die Wirtschaftspläne entsprechend zu erstellen und eine neue Halle zu erbauen.“ Diese Ignoranz und Arroganz ist kaum noch zu überbieten. Was soll denn mit der alten Halle passieren? Soll sie als Kunstwerk(?) ohne Nutzen am Rande der Bürgerweide herumstehen und Unterhaltskosten verursachen? Eine neue Halle würde neuen Grund benötigen. Wo soll den die neue Halle entstehen? Vielleicht den Holler See zubetonieren? Ganz zu schweigen von den viel höheren Kosten, die der Bau einer neue Halle verursachen würde. Aber vielleicht liegt ja genau in den Kosten der Grund für dieses Verhalten der Architektenlobbyisten: Der Architekt wird nach der Höhe der Baukosten bezahlt: je höher die Baukosten, desto höher sein Honorar. Ich habe viele Jahre als Bauleiter die Erfahrung machen müssen, dass Kostenbewusstsein bei den Architekten kaum vorhanden ist. Sie sehen sich nur als die großen Künstler, die Bedürfnisse des Auftraggebers und Nutzers sind ihnen weit gehend egal. Das kann man in Osterholz-Tenever sehen und nicht nur da.
Udo Endrigkeit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen