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■ KommentarHalbgötterdämmerung

Ein Rechtsgutachten, das das Verhältnis zwischen Arzt und Patient eindeutig definiert, ist das Papier des Berliner Professors Dieter Giesen. Es rückt vieles gerade, das auch im Zusammenhang mit dem UKE-Strahlenskandal in eine gehörige Schieflage geraten ist.

Da sind unzählige Patienten, die infolge einer Behandlung furchtbare Schmerzen erleiden. Für sie steht fest: Der Arzt hat ihr Leben ruiniert, nicht die Krankheit. Für viele hatte er vor der Behandlung noch als Retter vor dem sicheren Tod gegolten. Und viele werden vorher sicher gefordert haben: „Tun Sie alles nur erdenkliche, ich will nicht sterben“. Auch so werden Halbgötter in Weiß geboren.

Auf der anderen Seite: Der Arzt, der täglich zwischen Leben und Tod agiert. Der sich als Lebensretter fühlt, der es oft auch ist. Der das bedingungslose Vertrauen seiner Patienten erlebt, die aus Angst oder Ergebenheit häufig lieber gar nicht erst fragen, welches Risiko eine Behandlung bergen kann. Der sich auf seinem Podest einrichtet und es womöglich sogar als Zumutung empfindet, Rechenschaft für sein Tun abgeben zu müssen.

Aber nur eine Einsicht kann helfen: Arzt und Patient müssen lernen, daß Mediziner Menschen sind, die Fehler machen. Auf der Ebene sollten sie sich begegnen. So muß auch das Giesen-Gutachten gelesen werden: Ärzte müssen die möglichen Folgen ihres Handelns beim Patienten offen zur Diskussion stellen.

Das ist es, was Kranke wirklich von ihnen verlangen können. Eine Verantwortung, der sich allerdings auch Patienten stellen müssen.

Sannah Koch

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